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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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schlugen zu, und das Schloss wurde von außen verriegelt.

6
    »Hallo. Ich heiße Abayomi. Bitte treten Sie ein.«
    Sie schenkte Richard ein strahlendes Lächeln, während sie den Ärmel seines Hemds berührte. »Ich bin Afrikas Freude.« Leise schloss sie die Tür hinter ihm, und schlagartig verstummte der Lärm der Straße. Jetzt war nur noch vereinzelt das gedämpfte Vorbeirollen eines Wagens zu hören. Es gab keine Empfangstheke, das Innere des Hauses erinnerte vielmehr an eine sorgfältig möblierte Privatwohnung.
    »Willkommen im Touch of Africa . Mein Name bedeutet ›Diejenige, die geboren wurde, um Freude zu bringen‹. Bitte folgen Sie mir.«
    Richard konzentrierte sich auf ihre Lippen - wie sich die klar verlaufenden Außenlinien ihres Mundes zusammenzogen, wenn sie sprach und ihn mit ihren sanften, warmen Lauten im Innersten traf. Etwas Menschliches, etwas Wichtiges schien in ihren schlichten Worten zu liegen, als hielte sie in Wirklichkeit eine Predigt. Er war sich nicht sicher, ob es sich um die gleiche Frau handelte, die seinen Anruf entgegengenommen und mit ihm diesen Termin vereinbart hatte. Am Telefon waren ihm die temperamentvollen Vokale und die wattierten Konsonanten ihrer Aussprache nicht aufgefallen.
    Für einen kurzen Moment wagte er es, ihr ins Gesicht zu sehen. Ihre schokoladenweichen Wangen und die Linie ihrer
Nase verliehen ihr einen klaren, in sich ruhenden Ausdruck. Er vermochte ihr jedoch nicht in die Augen zu schauen, da er die Intensität ihres Blickes spürte. Sie drehte sich um und legte dabei kaum merklich ihre Finger auf seine Hand. Ihr Rücken wiegte sich hin und her, als sie vor ihm den Gang entlangschritt und dabei ihre Hand nach hinten hielt - wie ein Fischer, der seinen Schwimmer im Boot hinter sich herzieht. Ihre nackten Füße hinterließen keine Spuren auf dem dicht gewebten Teppich.
    Sie war etwa so hoch gewachsen wie Richard, doch im Gegensatz zu ihm schien sie über den Boden zu gleiten. Er war sich auf einmal seiner großen Füße bewusst, als er hinter ihr herstolperte. Insgeheim ärgerte er sich über sein Unbehagen und seine plumpen Bewegungen. Er füllte mit seinem Körper den ganzen Flur aus. Vielleicht sollte ich meine Schuhe ausziehen, dachte er, um auf dem sauberen Teppich keinen Schmutz zu hinterlassen.
    Die Wände waren in einem hellen Terrakottaton gestrichen, als ob sich das Haus an einen Berg schmiegte und dort aus der weichen Erde herausgeschnitten worden wäre. Es war still und warm und duftete nach Zedernholz und Moschus. Eine eindringliche Melodie drang aus versteckten Lautsprechern an sein Ohr, afrikanischer Gesang, unterlegt von einer tiefen Basstrommel. Die Töne stellten die Härchen in Richards Nacken auf.
    Die Eingangstür hatte in einen Flur geführt, an dessen Wänden afrikanische und indonesische Masken mit dunklen Augenhöhlen und bleichen Wangen hingen. Das zottelige Haar der Masken stand in alle Richtungen ab. Es herrschte eine wunderbare Ruhe. Sie schienen allein zu sein, und der bloße Gedanke, im Haus dieser Frau verweilen zu dürfen, hatte etwas Besänftigendes.
    Sie führte ihn eine steile Treppe hinauf. Ihre nackten Beine kamen seinem Gesicht einladend nah, als er ihr die von den Jahren der Benutzung abgerundeten Holzstufen hinauffolgte. Bei
jedem Schritt spannten sich ihre Wadenmuskeln an und lockerten sich wieder.
    Oben angekommen fanden sie sich in einem kurzen Flur mit einem Zimmer auf jeder Seite wieder. Die Türen der Zimmer standen offen. Die Frau führte ihn links in einen fensterlosen Raum. Auch hier herrschte ein gedämpftes Licht. Ein Lampenschirm aus Stoff warf Schattenlinien an die Wände. Das Zimmer wirkte makellos. Auf einem Regal waren einige ausgewählte Gegenstände angeordnet. Eine von beigefarbenen Handtüchern bedeckte Massagebank befand sich in der Mitte des Raumes, an der gegenüberliegenden Wand stand ein Ledersofa.
    Richard wandte sich der Frau zu und sah ihr zum ersten Mal direkt in die Augen. Sie war außergewöhnlich schön. Ihr Gesicht wirkte offen und warmherzig, als ob sie ihn kannte und sich über seine Anwesenheit freute. Der Anblick verstörte ihn beinahe. Ihre Augen waren groß und von dichten schwarzen Wimpern umgeben. Sie trug ein schlichtes Wickelkleid, wie er es noch nie zuvor gesehen hatte. Der dunkle Stoff wirkte grob wie Musselin und doch bequem. Er umhüllte den oberen Teil ihres Körpers wie ein Kikoi , wobei ihre Schultern frei blieben. Der Stoff hörte knapp unter ihrer Hüfte auf, wo die

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