Würfelwelt (German Edition)
Minecraft war ich erst ein einziges Mal im Ende. Es war ein düsterer, unheimlicher Ort, aus dem es kein Zurück gab. Ich habe gegen den Enderdrachen gekämpft, doch ich hatte keine Chance. Immer wenn ich ihn mit meinem Diamantschwert traf, wurde er von Strahlen aus magischen Kristallen, die dort überall auf Säulen wachsen, wieder geheilt. Irgendwann habe ich einfach aufgegeben und bin gestorben. Ich weiß noch, dass ich gedacht habe: Das ist unmöglich. Nicht einmal Notch, der Minecraft -Schöpfer, kann dieses Monster besiegen.
Plötzlich wird mir klar, dass ich nicht noch einmal an diesen Ort zurückkehren will – schon gar nicht hier, in dieser Traumwelt, die so erschreckend real ist. Was, wenn mich der Enderdrache besiegt? Werde ich dann auch in der Wirklichkeit sterben? Das erscheint mir durchaus möglich.
Mir fällt noch etwas ein: „Der Ausgang liegt im Nether“, stand auf dem Schild in der Hütte. Dort stand nicht „Der Ausgang liegt im Ende.“
Erleichterung durchflutet mich. Der Nether ist schlimm genug, wenn ich an all die Monster denke, denen ich dort im Computerspiel schon begegnet bin. Aber wenigstens gibt es da keine Enderdrachen.
Nein, ich suche nicht das Ende. Ich suche den Ausgang.
Ich klappe Hebel 4 nach unten.
Ein leises Klicken ertönt. Als ich mich umwende, sehe ich, dass die Metalltür offen steht.
Dahinter erstreckt sich ein kurzer Gang, der mit Fackeln erleuchtet ist. An seinem Ende schraubt sich eine Treppe in engen, rechteckigen Windungen nach oben.
Ich steige hundert Stufen hinauf. In der Wirklichkeit wäre ich längst außer Atem, doch hier spüre ich die Anstrengung gar nicht.
Über mir höre ich die verräterischen Geräusche von Zombies und Skeletten. Ich zücke mein Schwert.
Die Treppe mündet in einen kleinen Raum, in dessen Wand eine Holztür eingelassen ist. Sie führt in eine unregelmäßige, von Fackeln erleuchtete Höhle, in der schon eine große Menge von Monstern auf mich wartet.
Ich öffne die Tür und stelle mich neben sie, so dass mich die Pfeile der Skelette von draußen nicht erwischen können.
Schon stürmen die ersten Zombies herein, und die Schlacht beginnt.
Ich vermöbele ein paar Dutzend der finsteren Gesellen, bevor meine Lebensenergie der Nulllinie gefährlich nahe kommt. Ich schaffe es mit Mühe, die Tür zu schließen.
Immer noch ist die Höhle voller Ungeheuer. Wahrscheinlich gibt es da draußen Monster-Spawner, so dass für unendlichen Nachschub gesorgt ist.
Was mache ich jetzt? Ich erhole mich allmählich, aber ich spüre schon wieder Hunger in mir aufkeimen und habe keinen Proviant. Wenn ich hungrig bin, heilen meine Wunden nicht mehr, und Heiltränke habe ich auch nicht.
Wenn ich wenigstens etwas Holz hätte, könnte ich mir eine Werkbank schaffen, eine Spitzhacke herstellen und mich um den Monster-Raum herumgraben. Aber ich Dummkopf habe ja Gronkh all seine Sachen zurückgegeben, als er aufwachte, und bloß das Schwert und die Rüstung bei mir. Ich sitze wieder mal in der Tinte.
Ich blicke durch die das kleine Fenster in der Tür. Auf der anderen Seite steht ein Creeper, der mich mit seinem grünen, seltsam traurig wirkenden Kastengesicht anstarrt.
„Verschwinde!“, rufe ich genervt. „Hau ab!“
Der Creeper macht einen Trippelschritt rückwärts, als erschrecke er. Dann kommt er wieder näher.
Bilde ich mir das nur ein, oder hat er auf meine Rufe reagiert?
„Ich hab gesagt, du sollst abhauen!“, brülle ich mit all meiner Kraft.
Wieder weicht der Creeper zurück. Doch der Effekt ist nur vorübergehend. Sobald ich aufhöre, zu schreien, kommt das Monster wieder.
Kann ich die Wesen dort draußen allein durch Brüllen zurückschlagen? Das würde im realen Minecraft -Spiel natürlich nicht funktionieren. Aber das hier ist nicht die Realität, sondern eine Welt, die ich selbst geschaffen habe.
Mir kommt ein Gedanke. „Creative Mode!“, rufe ich laut. Doch in meinem Kopf erscheint kein unendliches Reservoir von Baumaterial, wie es in dem Computerspiel geschehen würde, wenn man den Creative Mode aktiviert. So einfach ist es also leider nicht.
Ich muss auf mein Unterbewusstsein hören, wird mir klar. Ich muss die Signale deuten, die es mir sendet, wenn ich hier rausfinden will.
Auf einmal begreife ich, was es mir sagen will: Was mich hier herausführt, was mir vielleicht ein wenig Kontrolle über mein Selbst zurückgibt, ist Wut!
Es ist nicht weiter schwierig, richtig sauer zu werden. Ich muss nur an Amelies Tränen denken,
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