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Würfelwelt (German Edition)

Würfelwelt (German Edition)

Titel: Würfelwelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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Gesichtsausdruck unveränderlich ist, kann ich das nicht so genau beurteilen. Auf jeden Fall steht er im Weg.
    „Geh bitte zur Seite!“, fordere ich ihn auf.
    Er reagiert nicht.
    Ich versuche, mich an ihm vorbei zu schieben, aber der Durchgang ist zu eng. Ich könnte einen anderen Eingang in die Stadt suchen, aber ich ahne, dass das nichts nützen würde. Dies hier ist offensichtlich eine weitere Prüfung meines Unterbewusstseins.
    Ich schleudere dem Kastenmann ein paar handfeste Haddocksche Seemannsflüche entgegen, doch auch das überzeugt ihn nicht, beiseitezutreten. Immerhin lässt er sich dazu herab, zu antworten: „Fremde haben keinen Zutritt!“
    Er klingt seltsam. Ich brauche einen Moment, bis ich darauf komme, warum: Ich höre meine eigene Stimme, aber so, wie sie auf meiner Mailbox klingt - so, wie andere sie wahrnehmen.
    „Ich bin kein Fremder!“, sage ich.
    „Du bist nicht in der Stadt, also bist du ein Fremder!“
    Tolle Logik! Wenn jeder, der nicht in der Stadt ist, ein Fremder ist und keinen Zutritt hat, wie soll dann jemals jemand hineinkommen?
    Mir kommt der Gedanke, dass mein Ebenbild mich vielleicht wegen meiner Rüstung nicht erkennt. Ich verstaue sie in meinem Geist. „Sieh mal, ich sehe aus wie du“, erkläre ich ihm. „Genau genommen bin ich du!“
    Er betrachtet mich einen Moment lang. „Du bist nicht ich. Ich bin ich“, stellt er fest.
    „Du bist ein Teil von mir, eine Projektion meines Unterbewusstseins. Also lass mich endlich durch!“
    „Fremde haben keinen Zutritt!“ Ich habe gar nicht gewusst, dass ich irgendwo tief in mir eine Bürokratenseele habe.
    Der Himmel färbt sich orange. Wenn ich noch lange hier herumstehe, bekomme ich es bald wieder mit Monstern zu tun.
    Ich improvisiere. „Ich muss dringend in die Stadt. Ich habe eine Nachricht für den König!“
    „Eine Nachricht für den König?“ Sein Misstrauen ist meinem Ebenbild deutlich anzuhören.
    „Ja! Wenn du mich nicht augenblicklich durchlässt, wird er dich in den Kerker werfen!“
    „Mich in den Kerker werfen?“
    „Ja, wird er! Lass mich jetzt endlich durch!“
    „Fremde haben keinen Zutritt!“
    Mir reicht es. Langsam kann ich meine Eltern verstehen, die immer behauptet haben, es sei schwierig, mich von einer einmal gefassten Meinung abzubringen. Ich lege meine Rüstung an und ziehe mein Schwert.
    „Ich will ja keine Gewalt anwenden, aber ...“
    Der Kastenmann starrt auf das Schwert, dann brüllt er laut: „Alarm! Alarm!“, und rennt davon.
    Auweia! Jetzt bin ich ein feindlicher Eindringling in meinem eigenen Unterbewusstsein! Ich frage mich, was ein Psychiater dazu sagen würde.
    Ich rechne damit, dass im nächsten Moment eine Armee von Rittern in Diamantrüstungen heranstürmt und mich überwältigt. Wenn ich Glück habe, nehmen sie mich gefangen und sperren mich in irgendein Verlies. Wenn nicht: Game over.
    Doch niemand kommt. Der Kastenmann ist nirgends zu sehen. Vielleicht ist er in eines der Häuser geflohen.
    Ich wandere durch leere Straßen. Die Stadt wirkt wie ausgestorben.
    Mir kommt der erschreckende Gedanke, dass das Männchen, dem ich begegnet bin, der einzige Bewohner der riesigen Stadt war. Was sagt das über meinen Zustand aus?
    Ich verdränge das Problem und konzentriere mich auf meine praktischen Bedürfnisse. Als Erstes brauche ich etwas zu Essen. Ich betrete ein Haus, das in dem Durcheinander an Formen beruhigend normal wirkt. Es ist aus Stein, hat zwei Stockwerke und ein spitzes Holzdach.
    Ein Feuer prasselt in einem Steinofen. Daneben stehen eine Werkbank und eine große Kiste. An einer Wand führt eine Leiter zu einem Loch in der Decke.
    Ich schaue in den Ofen und entdecke ein Stück gegrilltes Fleisch. Ich verschlinge es auf der Stelle, so dass mein Hunger fürs Erste gestillt ist.
    Die Kiste enthält alles, was man in dieser Welt gebrauchen kann: Spitzhacken, Äxte und Schwerter aus Diamant, eine Rüstung aus demselben Material, jede Menge Brote, Holzwürfel und Eisenbarren, Heiltränke und allerhand weitere nützliche Utensilien. Ich verstaue so viel davon in mir, wie mein Geist fassen kann.
    Gerade, als ich das Haus wieder verlassen will, höre ich aus dem oberen Stockwerk eine Stimme: „Marko? Bist du das?“
    Ein Schauer läuft über meinen Rücken. Es ist die Stimme meiner Mutter.
    Ich klettere die Leiter hinauf und gelange in einen gemütlichen Raum mit schrägen Wänden und zwei Betten.
    Eine Frau steht daneben und starrt mich an. Sie hat einen Kastenbusen und trägt

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