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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Wir ritten am Hotel Tahat und am Campingplatz vorbei, der langsam erwachte.
    Die aufgehende Sonne blinkte in die Windschutzscheiben der Lastwagen, Autos und Mopeds, die in der Ferne über die Asphaltstraße donnerten, vorbei am Wasserschloß und an den Telegraphenstangen, die sich weit in die Wüste hineinzogen.
    Garagen und Werkstätten rotteten sich zusammen, verrostete Autowracks häuften sich übereinander, unfertige Wohnsiedlungen verloren sich im Sand. Was den Wandel der Sahara herbeiführte, dachte ich, das sind die Bagger, die Teermaschinen, die Straßen, der ganze materielle Aufbau, den wir Fortschritt nennen. An vielen Stellen wurde die Straße frisch geteert. Arbeiter saßen in kleinen Gruppen und zerkleinerten Steine. Ihre Lumpen waren grau vor Staub, ihr Schesch unordentlich um den Kopf gewickelt. Wie viele von ihnen waren Tuareg?
    Und als ob ich die Frage laut formuliert hätte, hörte ich Elias sagen:
    »Sie glauben an nichts mehr, weißt du. Ihr altgewohnter Lebensrhythmus ist zerstört. Imoghar – die Freien! Der Name paßt nicht mehr. Früher brauchten sie nichts weiter als die Sterne. Heute haben sie Straßenbeleuchtung.«
    Ich schluckte und wandte die Augen von ihm ab.
    »Du denkst zuviel nach, Elias.«
    Ich wollte mich lieber auf die Ferne konzentrieren, auf mein eigenes, unverfälschtes Traumbild. Von meinem Mehari aus hatte ich das Gefühl, als würde ich in die Weite der Welt mit einbezogen. Die kraftvollen Beine der Kamele dehnten und streckten sich. Ihr leiser Schritt war wie ausgelöst vom beständigen Dahinfließen ihrer Bewegungen. Dann übertönte ein tiefes, machtvolles Brummen die Stille. Ein schriller Pfeifton schwoll an, erfüllte die Luft, wurde zu einem gellenden Zischen, das in donnerndes Getöse überging. Ein Flugzeug der Air Algerie tauchte hinter einer Bergkuppe auf, so nahe, daß wir das Einziehen der Fahrwerke beobachten konnten. Der gewaltige, silberglänzende Rumpf schwang sich langsam und mächtig in die Höhe. Das ohrenbetäubende Tosen schien gleichsam aus den Tiefen des Himmels und den unteren Schichten der Erde zu dringen. Die Mehara jedoch gingen weiter, ungerührten Schrittes, 276
    während die von einem dunklen Kondensstreifen begleitete Maschine in den leuchtenden Himmel zog.
    Die Zeit verging; Hitzewellen schwebten hoch, und zwischen den Tafelbergen glitzerten Seen. Die Luft war ofenheiß, aber der leichte, beständige Wind kühlte unsere Haut. Elias war das Gelände vertraut.
    Als die Sonne senkrecht auf uns herabglühte, wußte er genau, wo wir zu rasten hatten.
    »In der Nähe ist eine Sickerquelle. Da es kürzlich geregnet hat, sollte etwas Wasser vorhanden sein.«
    Er ließ sich aus dem Sattel gleiten. Der Wind bewegte die Falten seiner Gandura, während er mit einigen Schnalzlauten die Zügel der Stute zog. Iuinaran grollte aus tiefer Kehle, knickte mit den Vorderbeinen ein und kniete schwerfällig im Sand. Elias half mir absteigen.
    Halb lachend, halb besorgt hielt er mich fest, während ich die Füße auf den Boden setzte.
    »Du hast dich gut gehalten«, meinte er. »Fünf Stunden im Sattel, und das am ersten Tag!«
    »Wir sind schließlich verwandt«, gab ich zurück.
    Er half mir, in die Turnschuhe zu schlüpfen. Wieder einmal fiel mir seine Fürsorge auf. Männer, die sich immerfort um die Bequemlichkeit der Frauen bemühten, waren mir bisher nicht begegnet. Darin lag mehr als eine einfache Geste der Zuneigung; es war ein Pflichtgefühl aus uralten Zeiten. Später, als wir im Schatten eines überhängenden Felsens ruhten, fragte ich Elias, ob er sich dessen bewußt war. Er hatte den Schesch gelöst, sein Gesichtsschleier hing locker um seine gebräunten Wangen. Auf meine Frage hin zog er lachend die Schultern hoch. Ich entdeckte auf seinem Gesicht eine Verlegenheit, die besser zu einem Halbwüchsigen paßte als zu einem erwachsenen Mann.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Hast du nie darüber nachgedacht?«
    Er kniff die Lider zusammen.
    »Wie soll eine Frau dem Mann vertrauen, wenn er sich nicht zu benehmen weiß?«
    Ich liebkoste seine Schulter.
    »Ich gewinne allmählich den Eindruck, daß bei den Tuareg Frauen mehr gelten als Männer.«
    »Wir haben ein Sprichwort: ›Ohne die Frau vertrocknet das Herz des Mannes wie ein Baum ohne Wurzeln.‹«
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    »Toll!« seufzte ich, beinahe lachend.
    Seine Lippen strichen über mein Haar.
    »Ich mache mir darüber keine Gedanken. Aber das ist kein Grund, oder? Ich meine, ich könnte einfach nicht anders

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