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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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sein.«
    Etwas später suchten wir die Quelle auf. Ein dünnes Rinnsal sprudelte mit leichtem Glucksen aus dem Sand, wie durch einen kräftigen Druck von unten an die Oberfläche gepumpt. Ich nahm an, daß auch dieses Wasser vielleicht verseucht war, aber irgendwie war ein Trotz in mir, der sagte, so ist es eben, schließlich bist auch du eine Targuia und mußt das Risiko tragen. Vor uns waren schon Leute dagewesen. Im Geröll lag der übliche Zivilisationsabfall. Unter einem Busch sah ich sogar eine Damenbinde liegen. Ich schüttelte angewidert den Kopf, und Elias sagte:
    »In der Wüste kann man nichts verbergen. Selbst ein Insekt hinterläßt auf einer Düne seinen vergänglichen Abdruck. Plastik aber bleibt für die Ewigkeit liegen.«
    Wir kehrten zu unserer Raststelle zurück. Das Zwitschern eines kleinen, schwarzweißen Moula-Moula-Vo- gels erhob sich aus einem dornigen Akazienbaum. Die Frische und die Unschuld der ersten Tage der Welt lagen wie ein Zauberschleier über der Landschaft.
    Genau wie im Film, kam mir in den Sinn. Man probierte alle möglichen Einstellungen, bis die Illusion perfekt war. Jetzt bitte keine Cola-Dose mehr, kein Tonno al Olio Puro, kein Klopapier samt Fliegen, nur noch unversehrte Natur.
    Elias hatte Wurzelholz zwischen drei Steine gelegt. Eine kleine Flamme brannte. Der dünne Rauchfaden duftete würzig. Aus seiner Tasche zog er zwei kleine Teekessel, die Teedose und ein Stück Stockzucker, das er mit dem Kupferhammer zerschlug. Er bewegte sich ruhig und elastisch, als hätte er alle Zeit der Welt. Und doch war jede Geste genau auf die nächste abgestimmt. Instinktiv vermied er jede unnötige Kraftverschwendung. Der Lebenskampf war für die Tuareg kein abstrakter Begriff, sondern etwas Alltägliches.
    Ich sagte:
    »Ich hätte nicht gedacht, daß ich so schnell wieder zu alledem zurückfinden würde. Bisher gab es nie einen Ort, an dem ich mich zu Hause fühlte. Ich war immer eine Frau, die davonlief.«
    »Deswegen bist du hier«, entgegnete Elias.
    »Deswegen?«
    »Ja. Du spürst die Vorfahren in dir.«
    Während ich neben ihm lag, öffnete Elias eine Orange mit seinem 278
    Fingernagel, zupfte behutsam das weiße Mark heraus. Jede Geste war präzise; lächelnd bot er mir die Frucht auf der flachen Hand an.
    Ich strich zärtlich über die runden Fingerkuppen, nahm die Schnitze von seiner Hand und schob sie ihm in den Mund. Er lächelte; ein Tropfen der Frucht blieb an den dunklen Lippen zurück. Ich küßte den Saft von seinem warmen Mund. Zärtlich, behutsam, entzückt, wie nur eine Frau das tut, die in ihren einsamen Nächten von diesen Lippen, diesem Nasenbogen, diesem Kinn, diesem festen, goldfarbenen Körper geträumt hat. Die alles im Schlaf kannte, im Schlaf immer wieder liebkost hatte, nachts oder auch tagsüber wachend, behext von dem Anblick, der Stimme, der Beschaffenheit dieses Körpers, frei und gelenkig unter der leichten Baumwolle. Das Licht glitzerte in Elias’ Pupillen, die jetzt im hellen Sonnenschein fast die gleiche Farbe wie das Fruchtfleisch hatten.
    »Woran denkst du?« fragte er zärtlich.
    Ich legte das Gesicht in seinen Schoß.
    »An dich. Ich glaube, wir sind zu spät geboren. Mindestens ein Jahrhundert zu spät.«
    »Eine Zeitlang war ich ziemlich verstört«, sagte Elias. »Du hast mir neuen Mut gemacht. Einmal, als ich in Tarn auf dich wartete, hatte ich einen sonderbaren Traum. Ich sah ein riesiges Ungeheuer, eine Art Panzer mit Antriebsrad und Kettenblenden, nur mit dem Unterschied, daß die Maschine wie ein Lebewesen atmete. Auf einmal – ich weiß nicht, wie – schluckte mich das Monstrum.
    Drinnen war es stockfinster. Ich forschte mit den Händen. Das Ding war warm, weich, schleimig, wie eine enorm große Schnecke.
    Irgendwie hatte ich Zeit gehabt, mich mit einem spitzen Stein zu bewaffnen. Also begann ich, die Wände rundum zu ertasten und aufzuschlitzen; sie waren merkwürdig elastisch und gaben plötzlich nach. Licht stürzte herein, und ich entkam. Ich glaube, das war ein guter Traum«, setzte Elias hinzu und lachte. Ich sah blinzelnd zu ihm empor.
    »Alles klar. Du willst die Welt verändern.«
    »Ein verlorenes Paradies«, seufzte Elias. »Aber vielleicht läßt sich dafür kämpfen. Wir können uns ein Leben vorstellen, das für uns gemacht ist. Ich bin ein Utopist, ich denke nach. Es gibt so viele Möglichkeiten, die Schäden zu begrenzen…«
    »Welche denn?«
    Er setzte sich so, daß sein Schatten auf mein Gesicht fiel.
    »Stell dir ein

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