Wuestentochter
worden waren.
Doch der Kampf war so lang und heftig, dass der Götterberg erzitterte, zu schwanken begann und schließlich in sich zusammenstürzte. Die Menschen der Erde bemerkten dies nicht, sie waren trunken vor Freude, weil das Böse von ihrem Land vertrieben war. Doch Mobarak Khan gebot ihnen Schweigen und sprach: ›Begreift ihr denn nicht, was geschehen ist? Unsere Leiter zu den Göttern ist für immer zerbrochen, doch dasselbe gilt nicht für die Leiter zwischen den bösen Geistern und der Welt der Menschen. Das Böse ist nicht ausgemerzt, nur zurückgedrängt, und wenn es sich wieder gegen uns erhebt, müssen wir uns allein dagegen zur Wehr setzen, denn die Götter können uns nicht mehr helfen.‹<
›Aber du bist der Sohn von Göttern‹, sagten die Menschen. ›Wirst du uns nicht beschützen?‹ Und Mobarak Khan antwortete: ›Ich werde für euch kämpfen, wie ich es gelobt habe, aber ich bin als Mensch geboren und daher nicht stärker als der Beste von euch, und ich werde auch nur die mir zugemessene Zeit lang leben.‹ Dann baten die Menschen ihn, ihr König zu werden. Doch er sagte: ›Ich bin ein Krieger; wenn ihr einen König wollt, sucht ihn unter euren Prinzen.‹ Also fragten sie ihn, was er denn nun tun wollte, und Mobarak Khan antwortete: ›Ich werde mich auf die Suche nach einem Ort begeben, den ich in meinen Träumen gesehen habe. Er liegt sehr weit von hier. Berge schützen ihn, die Sonne lächelt auf ihn herab, der Boden ist fruchtbar und das Wasser rein. Er erinnert mich an das Land Hewad, das wir verloren haben. Mein Volk soll dort in Frieden leben, aber seine Nachkommen werden zu Kriegern ausgebildet, die der Götter, von denen wir abstammen, würdig sind. Und sollten sich die bösen Geister wieder erheben, werdet ihr sie bereit finden, ihre Waffen in eure Dienste zu stellen.‹«
Shahascina blickte auf, als sei sie soeben aus einem Traum erwacht. »Und so brach Mobarak Khan mit seinen aus den Felsen des Berges geborenen Kriegern auf, um das Tal aus seinen Träumen zu suchen. Nach angemessener Zeit fand er es, und er und seine Männer heirateten und zeugten Söhne und Töchter, die ihrerseits wieder Söhne und Töchter zeugten.«
Shahascina dämpfte ihre Stimme zu einem ehrfürchtigen Flüstern, doch über der Zuhörermenge lag jetzt ein so tiefes Schweigen, dass ihre Worte für jedermann zu vernehmen waren. »Dies ist die Geschichte von Mobarak Khan, unsem verehrten Stammvater; von Qaf, unserer Heimat, und von uns, den Dschinn, den Kindern des gefallenen Berges. Für immer und ewig wollen wir das Gelübde unseres Vaters in Ehren halten.«
»Wir halten es in Ehren«, murmelten die Dschinn wie aus einem Mund. Und Khalidah stellte fest, dass auch ihre Lippen die fremden Worte formten und ihr dabei Tränen in den Augen brannten.
6
Das volle Ausmaß der Folgen des Massakers bei den Quellen von Cresson machte sich erst nach einigen Wochen bemerkbar. Nach und nach wurde beiden Seiten bewusst, wie tiefgreifend sie die kurze, grausame Schlacht verändert hatte. Gökböri und alle, die mit ihm gekämpft hatten, wurden als Helden gefeiert. Auch die Muslime, die nicht an dem Kampf teilgenommen hatten, wurden von dem Sieg beflügelt. Als sich die Nachricht davon im Land verbreitete, strömten Scharen nach Ruhm und Ehre dürstender Soldaten nach Damaskus, um in die Armee des Sultans einzutreten.
Saladin selbst nahm diese Neuigkeiten mit gemischten Gefühlen auf. Zwar war er froh, so viele lästige Templer auf einen Schlag losgeworden zu sein, zugleich jedoch wurmte es ihn, dass er bei der Schlacht nicht zugegen gewesen war. Er überdachte seine Situation - die immer spärlicher werdenden Ströme der zurückkehrenden Pilgerkarawanen, die unmittelbar bevorstehende Schlachtsaison, die verheerende Niederlage der Franken in Oultrejourdain - und entschied, dass es an der Zeit war, die Rückreise anzutreten. Brieflich wies er Al-Afdhal an, einen geeigneten Sammelpunkt für die stetig anwachsende Armee zu finden, dann requirierte er die Hälfte der ägyptischen Truppen, schickte seinen Bruder nach Kairo zurück und lenkte sein Kamel schließlich Richtung Norden.
Die Nachricht, dass Saladin Oultrejourdain endlich verließ, trug wenig dazu bei, die trübe Stimmung der Franken aufzuhellen. Der Verlust so vieler ihrer besten Ritter bei Cresson war schon an sich eine Katastrophe, doch noch schwerer wog der daraus resultierende Verlust des Glaubens bei vielen Kriegern. Die gefallenen Ritter hatten
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