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Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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bemühte sie sich, darüber hinwegzusehen, wie stark sich die Rippen unter dem Fell abzeichneten - und wie oft Sulayman beim Aufzäumen von Asifa Pausen einlegen musste.
    Nachdem sie die Satteltaschen festgeschnallt hatte, blickte Khalidah auf und sah Ghassan auf einem großen kastanienbraunen Wallach durch die Marschen auf sie zukommen. Er führte ein graues Pony mit einem Packsattel auf dem Rücken am Zügel. Der Wallach war im Stockmaß noch eine gute Handbreit höher als Zahirah, hatte eine lange, schlanke Nase und einen sehnigen Körper, der ihm Ähnlichkeit mit einem Jagdhund verlieh.
    »Ein Akhal-Teke«, stellte Khalidah bewundernd fest. »Wem gehört er denn?«
    »Mir«, erwiderte Ghassan mit einem stolzen Lächeln. »Er steht in  Radwans Stall, meiner ist zu klein für ihn. Ein turkmenischer Edelmann schenkte ihn mir zum Dank dafür, dass ich ihn von einer … nun ja, einer peinlichen Krankheit geheilt habe. Er hörte von mir und kam her, um dem Klatsch und Tratsch zu entgehen, der in Basra unweigerlich die Runde gemacht hätte. Und ich denke, ich habe mit Wasim ein gutes Geschäft gemacht. Wie er allerdings darüber denkt, weiß ich nicht.«
    Er stieg ab und reichte Khalidah Wasims Zügel, dann lud er den Rest ihrer Ausrüstung auf das Packpony. Der große Wallach scharrte mit den Hufen, schlug mit dem Schweif und blickte immer wieder verspielt zu seinem Herrn hinüber. In seinen Augen schien ein Lächeln aufzublitzen, und da wusste Khalidah genau, was Wasim dachte.
    Das Wetter war gut, als sie aufbrachen; nach tagelangem Regen so klar, dass sie den Fuß des Zagros am Horizont erkennen konnten. Ghassan kannte die besten Wege durch die Marschen, sodass das Wasser selten höher reichte als bis zu Zahirahs Knien. Trotzdem waren sie gezwungen, in einem gleichmäßigen Schritttempo zu reiten, wofür Sulayman dankbar zu sein schien. Als die Sonne höher stieg, wurden die Marschen seichter und die grasbewachsenen Landflächen größer, bis das Wasser feuchten Wiesen wich, die mit gut gepflegten Obstbaum- und Dattelpalmengärten durchsetzt waren. Gegen Mittag machten sie Rast, und Ghassan bereitete frische Medizin für Sulayman zu. Sulayman leerte die Schale gehorsam und knabberte dann an einem Stück Fladenbrot, während Ghassan und Khalidah eine gehaltvollere Mahlzeit zu sich nahmen und die Pferde sich an dem langen Gras gütlich taten.
    »Und jetzt ruhst du dich eine Weile aus«, befahl Ghassan, nachdem der jüngere Mann sein Brot verzehrt hatte.
    »Ich bin nicht müde«, protestierte der jüngere Mann.
    »Oh doch«, beharrte der Heiler in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Du wirst all deine Kraft brauchen, um die Berge zu  überqueren, und im Moment hast du nicht allzu viel davon. Also ruh dich aus.«
    Seufzend entrollte Sulayman seine Decke, legte sich unter einen Baum und fiel augenblicklich in einen tiefen Schlaf. Als Khalidah ihn betrachtete, fragte sie sich, wie es ihm gelungen war, ihnen einzureden, dass er wieder vollständig genesen sei. Seine Wangen waren eingefallen, seine Haut glich brüchigem Pergament, und die Finger, die neben seinem Gesicht auf der Decke ruhten, schienen nur noch aus Knochen zu bestehen, so viel Gewicht hatte er während seiner Krankheit verloren.
    »Er ist noch lange nicht gesund«, stellte sie fest.
    »Kluges Kind«, bemerkte Ghassan trocken.
    Khalidah funkelte ihn finster an, doch sein verwittertes Gesicht blieb unbewegt. »Was sollen wir denn jetzt tun?«, fragte sie.
    »Wir reiten weiter. Zum Zagros.«
    »Natürlich - für einen Invaliden ist das ja ein Spazierritt. Oder verfolgst du irgendeinen Plan, von dem ich nichts weiß?«
    »Falls dem so wäre«, gab er mit einem Lächeln zurück, das ihren Zorn noch schürte, »sähe ich keinen Grund, warum ich dich darin einweihen sollte.«
    Khalidah musterte ihn forschend. »Was missfällt dir eigentlich so an mir?«
    Ghassan schüttelte den Kopf. »Oh, diese Arroganz der Jugend! Mein Schweigen hat mit dir überhaupt nichts zu tun. Aber wenn ich mir so ein zweitägiges Schmollen einer jungen Frau ersparen kann, werde ich dir sagen, was du wissen willst. Ich habe von jemandem in den Bergen gehört, der ihm vielleicht helfen kann … und dir auch.«
    »Mir?«, wiederholte Khalidah verdutzt. »Ich wüsste nicht, dass ich Hilfe bräuchte.«
    »So? Dann sag mir doch, was du in der Wildnis von Khorasan zu finden hoffst.«
    Als Khalidah daraufhin nur die Lippen zu einem schmalen, trotzigen Strich zusammenpresste, zuckte ein

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