Wuestentochter
Lächeln um Ghassans Mundwinkel. »Wie du willst. Dann bewahre du deine Geheimnisse, und ich bewahre die meinen.« Mit diesen Worten lehnte er sich gegen Wasims Sattel, zog sich das Ende seines Turbans über das Gesicht und gab einen vorgetäuschten Schnarchlaut von sich. Seufzend streckte sich Khalidah unter einer Palme aus und schloss gleichfalls die Augen.
Es war bereits später Nachmittag, als sie weiterritten. Nach seinem Mittagsschlaf schien Ghassan ihre kleine Auseinandersetzung vergessen zu haben. »Sag mir, Khalidah … beabsichtigen die Stämme, sich dem Sultan anzuschließen, wenn er nach Al-Quds marschiert?«
»Ich kann nur für mein eigenes Volk sprechen«, entgegnete Khalidah. »Und selbst das ist keine konkrete Antwort, denn die Hassani sind in zwei Lager gespalten. Die eine Hälfte des Stammes folgt meinem Vater, die andere meinem Onkel. Mein Vater steht auf der Seite des Sultans, aber mein Onkel …« Sie warf Sulayman einen Hilfe suchenden Blick zu.
Sulaymans Lippen kräuselten sich spöttisch. »Abd al-Hadis Wünsche im Leben gehen über gutes Essen, Dutzende von Sklavenmädchen in seinem Bett und einen friedlichen Tod im Schatten einer Palme nicht hinaus … diesen Eindruck erweckt er zumindest. Ob eine Absicht dahinterliegt, ist schwer zu sagen.«
»Gedenkst du denn, am Dschihad teilzunehmen?«, erkundigte sich Ghassan.
»Wenn wir nicht in den Bergen umkommen, vielleicht«, wich Sulayman aus. »Und wenn wir rechtzeitig von Qaf zurückkehren.«
Ghassans kluge Augen ruhten nachdenklich auf seinem Gesicht. »Irgendwie glaube ich nicht, dass das ein Problem darstellen wird.«
»Wie meinst du das?«, wollte Khalidah wissen.
»Kommt diese zeitliche Übereinstimmung eigentlich keinem von euch beiden seltsam vor?« Als Khalidah und Sulayman verwirrt die Stirn runzelten, setzte er zu einer Erklärung an. »Die Erbin des größten Kriegerstammes des Orients wird gerade zu der Zeit zu dem momentanen Stammesführer gerufen, wo der Islam vor einem der größten Kriege seiner Geschichte steht. Ich glaube, es ist euch bestimmt, einen gemeinsamen Kampf zu führen.«
»Deine Theorie hat einen Haken«, gab Sulayman zu bedenken. »Die Dschinn sind keine Muslime.«
»Das schließt einen Kampf für eine gemeinsame Sache nicht aus.«
»Vielleicht nicht. Aber Tor Gul Khan hält nicht viel von Saladin.«
»Kennt er ihn denn?«, erkundigte sich Ghassan interessiert.
»Nein, aber er hat einiges über ihn gehört. Ich glaube, er nannte ihn immer ›diesen eingebildeten, sich selbst überschätzenden Sohn eines Ziegenhirten‹.«
Ghassan kicherte. »Das überrascht mich nicht - Herrscher haben selten eine hohe Meinung voneinander. Aber trotz allem bin ich davon überzeugt, dass es den Dschinn bestimmt ist, an Saladins Dschihad teilzunehmen.« Er hielt inne, dachte kurz nach und wandte sich dann an Khalidah. »Was wirst du tun, Kind, nachdem du die deinen besucht hast und Sulayman in den Kampf gezogen ist?«
»Ich werde mit ihm reiten«, erwiderte sie.
»Um Sulaymans oder um des Sultans willen?«
Khalidah sah ihn freimütig an. »Warum nicht um meinetwillen?«
»Ich dachte, dein Stamm wäre noch unschlüssig, was den Krieg gegen die Franken betrifft.«
»Ich habe meinen Stamm verlassen. Aber ich bin immer noch eine Muslimin, und meiner Meinung nach sollte jeder Gläubige diejenigen bekämpfen, die uns unsere heilige Stadt genommen haben. Deswegen werde ich mein Schwert in den Dienst eines jeden militärischen Befehlshabers stellen, der Verwendung dafür hat.«
»Du bist so sicher, das Richtige zu tun«, meinte Ghassan bedächtig. »Aber du darfst nicht vergessen, dass auch die Franken von der Rechtmäßigkeit ihres Kampfes überzeugt sind, sonst wären sie nicht mehr hier. Sie halten sich ebenso wie unsere Mudschahedin für Gotteskrieger, und dafür verdienen sie unseren Respekt.«
»Die Franken haben muslimische Kinder abgeschlachtet und gegessen, als sie Jerusalem zum ersten Mal eingenommen haben. Solche Gräueltaten nötigen mir ganz bestimmt keinen Respekt ab.«
»Glaubst du, die Anhänger des Islams hätten keine derartigen Grausamkeiten begangen?«, gab Ghassan zurück.
»Du bist also der Ansicht, wir sollten den Franken unser Land kampflos überlassen?«
»Ganz und gar nicht. Von Komplizenschaft war keine Rede. Ich sagte lediglich, sie verdienen Respekt - den Respekt, der einem ebenbürtigen Gegner zukommt. Es muss doch einen Weg geben, zu einer Übereinkunft zu gelangen, sodass wir alle in
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