Wunder wie diese
Jamie im Lambert-Oval-Stadion zum Training und samstags machen sie immer ein Spiel.
Einmal, als ich bei Penny übernachtet habe, sind wir von dort aus ins Kino gegangen. Wir haben spontan beschlossen, uns eine Doppelvorstellung anzusehen, sodass wir erst zwei Stunden später nach Hause kamen. Pennys Dad hat im Wohnzimmer auf uns gewartet. Als wir nach Hause kamen, ist er aufgesprungen und hat gefragt: »Wo wart ihr denn so lang? Ich hab mir solche Sorgen gemacht. Ihr müsst doch anrufen, wenn ihr später nach Hause kommt.«
Kein Wunder, dass mich das ziemlich beeindruckt hat. Bei uns läuft es ganz anders. Zunächst einmal ist mein Dad ständig unterwegs. Er ist Regisseur für Film, Theater und Fernsehen – einer der besten. In Sydney gibt es nicht so viele Aufträge für ihn, weshalb er dorthin muss, wo die Arbeit ist. Das bedeutet, dass er vier bis fünf Monate im Jahr woanders ist. So war das schon immer: Er führt bei einem Schauspiel in einer anderen Stadt Regie; er geht mit einem Stück auf Tournee; er dreht eine Episode einer Fernsehserie. Letztes Jahr war er drei Monate am Stück weg, weil er an der W. A. A. P. A., der Kunsthochschule in Perth, unterrichtet hat. Außerdem lehrt er halbwegs regelmäßig an der Schauspielschule in Singapur. Wenn er hier ist, ist er meist bei Proben oder er zieht sich zu Hause in sein Arbeitszimmer zurück und überarbeitet Drehbücher und Notizen oder was noch schlimmer ist: Er hat keine Arbeit.
Man könnte denken, dass es für meine Mutter schwerer ist, wenn er nicht da ist, weil sie dann praktisch alleinerziehend ist. Aber ganz ehrlich? Es gibt weniger Spannungen, wenn er weg ist. Wie du vielleicht anhand meines Betty-Friedan-Kommentars letztens gemerkt hast, bleibt die gesamte Hausarbeit an meiner Mum hängen. Sie arbeitet Vollzeit und kümmert sich um unser kleines Nesthäkchen, ob Dad da ist oder nicht. Ich helfe ihr, wo ich kann, aber ich arbeite jetzt ja dreimal die Woche. Ich versuche, mich möglichst zurückzunehmen und nichts zu tun, was a) meinen Dad auf mich aufmerksam macht und b) zur Verzweiflung meiner Mutter beiträgt.
Wenn Dad nicht da ist, ist das extreme Ungleichgewicht in der ›geschlechtsspezifischen Aufteilung im Haushalt‹, wie du das letztens genannt hast, weniger offensichtlich. Ich bin fast immer wütend auf ihn und wie es scheint er auch auf mich. Sodass alle unsere Begegnungen – die sowieso schon äußerst selten sind – von Spannungen durchdrungen sind. Wenn er dann abends noch den Familienraum zuqualmt, ist der Gipfel des Erträglichen erreicht. Sie rauchen beide. Nicht nur sie kriegen Krebs, sondern sie verpassen ihn auch noch Jess und mir.
Wenn ich an meine Mum denke, habe ich ein Bild von ihr vor Augen, wie sie um 17 Uhr zur Haustür reinkommt, Jess auf dem einen Arm und eine Menge Einkaufstüten auf dem anderen. Sie wirkt immer sehr abgespannt. An den Tagen, an denen ich nicht arbeite, versuche ich, die Küche schon mal ein bisschen aufzuräumen, bevor sie kommt, aber meist überfällt sie zu Hause das totale Chaos.
Diese Vorstellung bringt mich zu Dad. Vor etwa einem Jahr bin ich völlig verschwitzt vom Touch-Football nach Hause gekommen und direkt unter die Dusche gesprungen. Das war das erste Mal, dass ich von der Schule kam und mein Dad war da. Er war in Sydney, um eine neue Show aufzunehmen. Ich habe mich gerade in meinem Zimmer abgetrocknet und umgezogen, als er laut anklopfte und fast schon gebieterisch nach mir rief. Ich zog mich zu Ende an und öffnete die Tür. Dad stand da und ließ mich wissen, dass es mein Job war, das Frühstück und das Mittagessen abzuräumen, bevor Mum nach Hause kam. Dann verschwand er in seinem winzigen Arbeitszimmer hinten im Haus. Frühstück und Mittagessen? Es war nach 16 Uhr. Ich trocknete meine Haare und schlenderte hinunter in die Küche. Beim Anblick, der mich dort erwartete, war mir sofort klar, um was es ging.
Auf dem Küchentisch standen die Überreste seines Frühstücks und seines Mittagessens: mehrere benutzte Teller, eine Teekanne mit Teeresten, ein Teesieb, das auf dem Tisch auslief, Krümel überall, Schinken, Apfelschalen, ein schmutziges Schneidebrett, Brotmesser und das Honigglas. Der Ofen stand offen und in seinem Inneren hatte sich eine Schicht geronnenes Fett festgesetzt. In der Spüle standen die drei Schüsseln, aus denen Mum, Jess und ich morgens unsere Cornflakes gegessen hatten – gespült und gestapelt, wie ich sie zurückgelassen hatte. Ich war fassungslos, in mir
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