Wunder wie diese
ihnen. Sie wuchten sich mit einem schrecklich männlichen HA! voran und halten dabei die Köpfe, Oberschenkel, Arme und Ärsche aneinandergepresst. Die Jungs ganz vorn haben die Köpfe zwischen die gepolsterten Streben des Gedränge-Apparats gesteckt und drücken ächzend und stöhnend alle gleichzeitig dagegen, um ihn ein Stück nach hinten zu bewegen. Der Trainer feuert sie an, dann lösen sie sich aus der Stellung und das Ganze geht wieder von vorn los. Bald weiß keiner mehr wie oft.
Niemand auf dem riesigen Schulgelände, ganz gleich ob männlich oder weiblich, schafft es, den Blick von diesem Spektakel abzuwenden. Manchmal kommt es mir so vor, als gäbe es eine verschworene Gemeinschaft unserer Schule, die sich über die privilegierte Position dieser Blödmänner ärgert. Für mich ist diese gesamte Übung einfach so eindeutig lächerlich, dass ich es kaum fassen kann, dass nicht die gesamte Schule in schallendes Gelächter ausbricht. Aber das macht keiner. Niemand ist so mutig und traut sich, den Status quo offen infrage zu stellen. Und vielleicht hoffen wir ja alle insgeheim, eines Tages zu einer ihrer Partys eingeladen zu werden.
Die Glocke läutet zur sechsten Stunde.
»Was hast du denn jetzt?«, frage ich Penny.
»Doppelstunde Kunst. Und du?«
»Eine Hausaufgabenstunde. Ich werde sie nutzen, um Chris zu schreiben.«
»Aha. Also wenn du eine Pause brauchst, komm vorbei und wink mir durch das Fenster vom Kunstraum. Dann winde ich mich vor Magenkrämpfen und werde mich wohl oder übel entschuldigen müssen.«
»Abgemacht.«
DAD
Lieber Chris,
bei Tageslicht betrachtet, bin ich mir nicht mehr so sicher, was ich dir eigentlich schreiben soll. Wir haben nur von einem Brief über meinen Dad gesprochen, oder? Das könnte im Prinzip alles Mögliche heißen. Außerdem könnte er endlos lang werden, angefangen von meiner frühesten Kindheitserinnerung bis dahin, wie er mir gestern Abend Gute Nacht gesagt hat.
Normalerweise sprudelt es geradezu aus mir heraus (wie dir vielleicht schon aufgefallen ist), aber jetzt fällt es mir eher schwer. Ich erzähl dir erst mal vom Dad meiner Freundin Penny. Dann fällt es mir vielleicht leichter, über meinen eigenen Dad zu schreiben. Weil ich seit der siebten Klasse mit Penny befreundet bin, hatte ich inzwischen reichlich Gelegenheit, ihren Dad kennenzulernen. Er arbeitet an deiner Uni und hat früher Geschichtsseminare gehalten, aber jetzt betreut er ausländische Studenten oder so etwas. Es gefällt ihm.
Als ich Penny kennenlernte, ist mir aufgefallen, dass sie jeden Tag eine Lunchbox mit zwei belegten Weißbrotschnitten, einem Stück Obst und vier Cruskits-Knäckebroten mit Margarine und Vegemite dabeihat. Manchmal ist auf den Broten Erdnussbutter, manchmal Schinken mit Salat, ein anderes Mal Käse und Tomaten, wobei die Tomaten immer extra eingepackt sind, damit das Brot nicht so durchweicht. Bei den Cruskits war sie oft zwiespältig und hat sie mir gegeben. Eines Tages habe ich sie gefragt, wie sie es schaffte, täglich ihre Brote zu schmieren, und dass es doch bestimmt auch Tage gab, an denen sie keine Lust hatte, sich welche zu machen. Mir geht das jedenfalls so. Oder ich bin einfach spät dran und mir fehlt die Zeit. »Mein Dad macht das«, sagte sie. Und tatsächlich – er bereitet jeden Morgen die Lunchbox für sie und ihren Bruder Jamie zu. Und jetzt halt dich fest – wenn ich bei ihr übernachte und wir am nächsten Tag Schule haben, macht er dasselbe für mich.
Als ich einmal bei Penny übernachtet habe und wir am nächsten Tag in der Küche Brownies backten, kam ihr Dad rein, legte den Arm um sie, küsste sie auf die Wange und fragte: »Was macht mein Mädchen denn da?« Wenn ich unter der Woche bei ihr übernachte, kriege ich mit, wie er auch Pennys Mum küsst, wenn sie von der Arbeit nach Hause kommt, so richtig, mit offenem Mund und voller Gefühl. Hast du so etwas schon mal gesehen?
Wenn er morgens früh an die Uni muss, nimmt er Penny und Jamie mit, und von dort aus fahren sie mit dem Bus weiter. An den Tagen, an denen er zu Hause arbeitet, fährt er sie zur Bushaltestelle in Maroubra Junction, um ihnen die 25 Minuten Fußweg zu ersparen.
Am Wochenende werkelt er im Arbeitsanzug im Haus herum, repariert dies und das, wäscht die Schuluniformen und hängt sie zum Trocknen auf. Pennys Bruder Jamie spielt Fußball – na ja, bis er vor Kurzem krank geworden ist – und Pennys Dad trainiert die Mannschaft. Im Ernst! Einmal in der Woche geht er mit
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