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Wunder wie diese

Wunder wie diese

Titel: Wunder wie diese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Buzo
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zu tun, aber Kathy war mir gegenüber definitiv weniger kaltherzig als sonst. Man kann es nie wissen in so einer großen Supermarktkette.
    Donna – die abgefahrene Kleine. Jaja, stimmt schon, sie ist gerade erst sechzehn geworden, aber wie schon gesagt, sie ist sechzehn, geht aber stark auf die fünfunddreißig zu. Sie hängt oft nach der Arbeit noch mit uns rum. Im Pub fragt niemand nach ihrem Ausweis. Eine junge Frau, die Tattoos trägt, mit einem Glas Scotch in der einen, einer Zigarette in der anderen Hand, und die besagte Zigarette mit einem regelrechten Zippo-Flammenwerfer anzündet, die mehr Schmuckstücke trägt, als man zählen kann, und die beim Billard gewinnt, hat schon was. Würde ich ernsthaft in Erwägung ziehen, mit einer Sechzehnjährigen zu gehen? Das ist eine schwierige Frage. Ich bin ziemlich einsam und ziemlich verzweifelt. Demnächst mehr dazu.
    Gestern an der Kasse schweifte mein Blick zu Kathy am Service-Schalter hinüber, als sich Amelia von der Kasse nebenan plötzlich zu Wort meldete: »Hey, warum liebt Gatsby eigentlich Daisy so abgöttisch? Sie ist ein oberflächliches Flittchen.« Und dann murmelte sie eher zu sich selbst: »Sie liebt ihn gar nicht.«
    Sie nimmt selbst noch die Handlungen fiktiver Figuren persönlich. Über so was denkt sie nach, während sie den Kunden die Einkäufe in Tüten packt.
    14. Dezember
    Macht euch bereit für eine weitere ziemlich rührselige und angetrunkene Tränendrüsengeschichte. Es ist genau die richtige Tageszeit dafür – es ist spät, ich komme gerade vom Pub nach Hause und wie der Hochzeitsgast in Coleridges Ballade seid ihr gezwungen zuzuhören und ich zu erzählen. Oder vielleicht ist es auch nur besoffenes Gefasel, das niemals von irgendwem gelesen werden wird. Selbst wenn meine Tagebücher nach der Apokalypse gefunden werden sollten, würden die Leute wahrscheinlich die ersten Seiten durchblättern und den Kopf schütteln: »Was für ein Loser!«, und dann, was noch wesentlicher ist: »Wen interessiert das?«, und sie dann auf den postapokalyptischen Müllhaufen werfen. Aber wie auch immer, ich bin vom Thema abgekommen.
    Ich hatte heute Abend auf Arbeit ein seltsames Erlebnis. Es war etwa Viertel vor neun und ziemlich ruhig. Ich habe mich ein bisschen mit der kleinen Amelia an der Kasse neben meiner unterhalten. Irgendwann ist unser Gespräch ins Stocken geraten. Sie war müde. Sie ist schon den ganzen Tag in der Schule gewesen und es war Ende der Woche. Sie legte beide Unterarme auf die Theke, ließ den Kopf einen Moment hängen, riss ihn dann hoch, um lauthals zu verkünden: »Ich bin am Verhungern!«
    Sofort war ich ganz woanders.
    Ich befand mich in dem Häuschen in Leura, wo ich mit Michaela den letzten März verbracht habe. Es ist später Nachmittag, fast Abend. Wir liegen im Bett, die Decken kreuz und quer über den Boden verteilt, sie quer auf dem Rücken. Ich liege mit dem Kopf auf ihrem Bauch und habe einen Arm über ihre Oberschenkel gestreckt. Ich lausche ihrem ruhigen Atem und betrachte den letzten Widerschein des rosa-orangen Sonnenlichts an der Wand, der Raum ist in dämmriges Halbdunkel gehüllt. Ich atme tief den Duft an ihrem Bauch ein, wodurch sie wach wird. Sie schiebt meinen Kopf sanft zur Seite, reckt sich ausgiebig, setzt sich dann mit einem Ruck auf und verkündet lautstark: »Ich bin am Verhungern!« Sie sieht mich an. Ich streiche ihr eine Locke aus dem Gesicht, die aus ihren zusammengebundenen Haaren gerutscht ist. Sie springt aus dem Bett, schlüpft in ihren Slip (Geburtstagsgeschenk von mir) und fängt an, etwas in der Pfanne zu brutzeln. Ich sehe sie an. Ich liebe sie.
    Dann kehre ich gedanklich zu Woolworth zurück, noch ein wenig benommen, aber wieder hier. Ich bin mit einem detaillierten und gut ausgebildeten Langzeitgedächtnis bestraft, deshalb ist es mir nicht neu, von einer lebhaften Michaela-Erinnerung ausgeknockt zu werden. Ich versuche, sie so schnell wie möglich abzuschütteln, und meist gelingt mir das auch ganz gut. Aber diesmal war es anders: Es war kein bloßes Erinnern, es war ein Wiedererleben. Die Umgebung, die Gerüche, wie sich die Laken anfühlten, die Wärme von Haut auf Haut. Das war so real. Unvermittelt.
    Fast schon beunruhigend.
    Ich werde mich gleich mit einem Bier in den Garten raussetzen. Es ist bereits nach Mitternacht. Dort ist es jetzt ruhig und der Mond steht am Himmel. Unser Garten ist ziemlich unansehlich und nicht besonders einladend, aber in einer Mondnacht glitzert sogar das

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