Wunder wie diese
Lehrerin einer Klasse von Fünfzehnjährigen den Weiblichkeitswahn zu lesen aufgibt. Du meintest, dass Betty Friedan der Zweiten Feminismus-Welle angehörte. Wusstest du auch, dass diese von der Ersten Welle der Frauenbewegung ausging (boah!) und die Dritte Welle der Frauenbewegung darauf folgte? Hat eure durchgeknallte Englischlehrerin euch auch darauf hingewiesen? Das lernt man alles an der Uni, wenn man einen Abschluss in Geisteswissenschaften macht, so wie ich. Gestatte mir eine kurze Einführung. Du hast wahrscheinlich auch als kleines Mädchen Mary Poppins gesehen. Vielleicht hast du den Film sogar mehrmals gesehen, wie meine Schwester Zoe, und, na ja, ich war zufällig in der Nähe vom Fernseher, als er lief. Aus dem ersten Lied des Vaters der Kinder (was für ein Depp, oder?) lässt sich schließen, dass es um 1910 gewesen sein muss. Die Mutter singt die Ouvertüre, als sie von den Protesten gegen die Ausbeutung der Frau oder für das Frauenwahlrecht nach Hause kommt. Sie trägt die Schärpe der Feministinnen jener Zeit. Sie singt von den Frauenrechtlerinnen, die sich von ihren langjährigen Fesseln befreien und Schulter an Schulter mit ihren Schwestern ins Gefecht ziehen. Rufe nach dem »Wahlrecht für die Frau!« werden laut. Dann erfährt man von einer Mitstreiterin, die verhaftet worden ist. Im Allgemeinen wird dieser ursprüngliche Aufstand als die Erste Welle der Frauenbewegung oder die Erste Welle der feministischen Revolte bezeichnet. Im ausgehenden 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es Frauen, die sich beschwerten und darüber schrieben, dass man sie als Menschen zweiter Klasse behandelte. Sie hatten kein Stimmrecht, sie wurden weithin benachteiligt und sie waren im Grunde genommen Besitztum des Mannes, ganz besonders in der Ehe. In den Sechzigern kam es dann erneut zu einem Aufstand, die Zweite Welle der feministischen Revolte, die der feministischen Lehre Tür und Tor öffnete. Es folgten zahlreiche Schriften und Abhandlungen über das Recht der Frau in Erziehung und Bildung, am Arbeitsplatz, in der Rechtsordnung, in der Gesundheitsvorsorge usw. usw. Daraus entwickelten sich verschiedene Richtungen der Frauenbewegung, über die du alles erfahren wirst, wenn du erst mal studierst.
Es gibt einige besonders interessante feministische Analysen der Ehe, die den Beobachtungen über die Ehe deiner Eltern im Großen und Ganzen entsprechen. Selbst unter den gemäßigten Frauenrechtlerinnen herrscht allgemeiner Konsens, dass die Ehe als grundlegendes Instrument dient, das Patriarchat aufrechtzuerhalten. Wie dem auch sei, Anfang der 80er kam es zur Dritten Welle in der Frauenbewegung, die folgerichtig darauf verwies, dass die Unterdrückung der Frau, wie sie von der Ersten und Zweiten Welle beschrien worden war, sich fast ausschließlich an Frauen der weißen Mittelschicht mit einem gewissen Bildungsgrad festmachte. Sie hatten zwar zweifellos recht und haben viel erreicht, aber sie benutzten die Worte »Frau« und »Feminismus«, als wären damit alle Frauen der Welt unabhängig von sozialer Schicht und Herkunft gemeint.
Die Frauen der Dritten Welle sind sich sehr wohl der Unterschiede aufgrund unterschiedlicher »Pfeiler der Unterdrückung und Ungleichheit« quer durch die Gesellschaft bewusst. Was in den Lehrbüchern der westlichen Welt als Feminismus bezeichnet wird, ist eigentlich nur eine von vielen Ausprägungen des Feminismus. Das macht dich platt, was?
Sprich mal deine durchgeknallte Englischlehrerin auf Kate Jennings an, Kleine, das ist meine Lieblingsautorin. Ich kann sie dir nur wärmstens empfehlen. Sie wird dir all das beibringen, was im Leben zählt. Sie wird nichts beschönigen und dir nichts vormachen. Sie redet Tacheles, und wenn du schon komplett ernüchtert bist, bringt sie dich zum Lachen. Sie hört auf niemanden und ist absolut furchtlos. Damit du mal hörst, wie sie klingt – hier ein Auszug aus ihrer zweiten und dritten Feminismus-Kritik:
»Das gut gemeinte Geschwätz über Schwesternschaft wurde abgelöst von ausgefeilteren, aber ebenso zweifelhaften Behauptungen über den ›Unterschied‹‚ im Sinne von Pluralität. Selbstverständlich ist es nicht schwer, sich zur Pluralität zu bekennen – die Politiker schwelgen regelrecht in Bildern von Regenbogen und Mosaiken, während die Feministinnen Zöpfe und Patchworkdecken bevorzugen –, aber es ist noch einmal etwas ganz anderes, ihr auch Rechnung zu tragen.«
Bist du nicht schon ganz heiß darauf zu studieren? Du kannst
Weitere Kostenlose Bücher