Wunder wie diese
bei der Probe und Mum und Jess schlafen schon. Mum hat mir einen Zettel geschrieben, dass mein Abendessen im Backofen steht. Ich hole eine mit Folie bedeckte weiße Schüssel aus dem Ofen. Als ich die Folie abnehme, verbrennt der heiße Dampf mich am Handgelenk. Ich jaule kurz auf und sehe in die Schüssel. Gebratene Nudeln mit Schweinefleisch und Gemüse. Es duftet köstlich und ich bin am Verhungern. Danke, Mum. Ich setze mich an den Esstisch, die Gabel in der einen Hand, den Brief in der anderen.
Sei gegrüßt, Kleine!
Ich sitze gerade in einer Vorlesung über das Fiasko in der Schweinebucht. Wenigstens steht im Kursplan, dass es um das Fiasko in der Schweinebucht geht. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wovon der Dozent da faselt, und es fasziniert mich, wie jemand und insbesondere jemand, der beruflich mit Sprache zu tun hat, ein derartiges Maß an Unverständlichkeit zustande bringen kann. Hätte ich vorher gewusst, dass es dieser Typ ist, wäre ich gleich in die Uni-Bar. Aber nein, ich kam vor Freude springend in den Hörsaal und habe mich direkt in die Mitte gesetzt. Ich komm hier nicht mehr raus, ohne über mindestens fünfzehn Leute zu steigen und jedermanns Aufmerksamkeit zu erregen. Ich sitze hier die nächsten fünfundvierzig Minuten fest.
Ich habe darüber nachgedacht, was du gesagt hast, als wir Pizza essen waren, darüber, wie deine Mum von unseren modernen Zeiten reingelegt wurde. Von deinem (etwas vereinfachenden) Standpunkt aus betrachtet, hat der Feminismus dazu beigetragen, dass sie Vollzeit berufstätig sein kann, dazu noch den gesamten Haushalt schmeißen, die Kinder gebären und versorgen darf. Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob das was mit Feminismus zu tun hat, aber sie wird übers Ohr gehauen – da hast du sicher recht. Ich habe eine Menge Artikel im Herald gelesen. Die alle besagen, dass der Anteil der weiblichen Arbeitnehmer über die letzten dreißig Jahre hinweg stetig angestiegen ist, aber die Übernahme der häuslichen Tätigkeiten durch die Männer hat im Vergleich dazu nicht zugenommen. Das kann ich unterschreiben. Auch bei uns zu Hause trägt meine Mum den Löwenanteil am Kochen und Putzen. Das war schon immer so. Mein Dad täuscht Unfähigkeit vor. Wenigstens glaube ich, dass er sie vortäuscht.
Vielleicht hat das was mit ihrer Generation zu tun. Unsere Mütter wurden beschissen, weil sie die Generation waren, denen es offenstand, arbeiten zu gehen, ihr eigenes Einkommen zu verdienen und sich mit was anderem als dem Haushalt zu beschäftigen. Erst als sie das erreicht hatten, wurde ihnen bewusst, dass Vollzeitbeschäftigte eine Ehefrau brauchen, die sich um Haushalt und Kinder kümmert. Aber Frauen haben keine Ehefrauen! »He, Moment mal! Heißt das, ich soll alles alleine machen?« Ja, das heißt es. Man erwartet sogar von ihnen, dass sie arbeiten gehen und Geld verdienen, weil die Zeiten, in denen die Hypothek und der Haushalt von einem einzigen Einkommen bestritten werden konnte, endgültig vorbei sind.
Vielleicht werden die nachfolgenden Generationen dieses Muster wieder durchbrechen. Aber eigentlich glaube ich nicht daran, weil wir alle miterlebt haben, wie unsere Mütter alles bekommen haben und deshalb auch alles tun mussten, während unsere Väter vorm Fernseher saßen und darauf warteten, zum Essen gerufen zu werden. Wenn du erwachsen bist, Kleine, und einen Typen kennenlernst, wird er daran gewöhnt sein, im Haushalt keinen Finger krumm zu machen, und du wirst daran gewöhnt sein, dass die Frau alles macht, weil ihr beide es nicht anders kennt. Hin und wieder werdet ihr euch deswegen streiten. Du wirst sagen, so geht’s nicht weiter, das reicht einfach nicht aus, und er wird dir feierlich zustimmen und dir versprechen, darüber nachzudenken. Nach dem Streit wirst du ein paar Wochen lang nach Hause kommen und das Bett ist gemacht, das Geschirr gespült und und deine besten Klamotten wurden in einer riesigen, wild zusammengewürfelten, gut gemeinten Waschladung ruiniert. Aber irgendwann in deinen Mitt- oder Endzwanzigern wird dir allmählich bewusst, dass es in seinem System kein Programm dafür gibt, dauerhaft die gleichen Hausarbeiten auszuführen, und dann bleibt dir nur die Wahl, dich von ihm zu trennen oder dich damit abzufinden. Wer weiß, welche Wahl du und die Mädchen deiner Generation treffen werden…
Aber ich wollte eigentlich etwas mehr auf den Feminismus eingehen, als ich diesen Brief angefangen habe. Ich war schwer beeindruckt davon, dass deine
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