Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott
gefiel, in Stroh
verwandeln konnte. »Es muß nicht angenehm sein, wenn man plötzlich entdeckt,
daß man zu Stroh spricht!« meinte Dott.
Auf die Königstochter Emma aber war sie
schon immer ein wenig böse gewesen. Sie fand es gar nicht königlich, daß sie
gerade dann aus Rübezahls Reich geflohen war, als er ihr zuliebe auf seinem
Acker die Rüben zählte. Und dabei hatte sie sich das Pferd für ihre Flucht auch
noch aus einer seiner Rüben gezaubert!
»Aber ich sollte hier nicht so viel an
Rüben denken!« erinnerte sich Dott. »Er kann es ja nicht hören, aber wenn er es
hörte, würde es ihn kränken!«
Alle diese Gedanken ließ die kleine
Dott durch ihren Kopf gehen, während sie immer höher zum Reifträger
hinaufflogen.
So saß sie schweigend auf dem Rücken
des Cornix, während sich seine starken Flügel regelmäßig neben ihr
auseinanderspreizten und dann nach unten schlugen. Erst als sie durch ein
lautes Freudengeschrei der jungen Krähen aufgeschreckt wurde, sah sie, daß sie
den Gipfel des Reifträgers erreicht hatten.
Dott hatte schon manch einen Berg
kennengelernt. Hier aber erlebte sie, wie es ganz hoch oben aussah, wo der
Frost und der Sturm über den Wald gesiegt hatten. Tannen gab es in dieser Höhe
nicht mehr. Mit einem Male aber fand sich die wetterharte Kiefer wieder ein und
versuchte den Kampf mit dem Frost aufzunehmen. Aber wie sah sie hier aus, die
stolze Kiefer aus der Heimat der kleinen Dott! Sie kroch geradezu auf der Erde
mit ihrem gekrümmten Stamm, und ihre kurzen Ästchen waren alle nach oben
gebogen, als kniete der Baum mit ihnen auf dem Boden. — Nach kurzer Zeit aber
mußte auch die Kiefer zurückbleiben. Nur einige Moose und Flechten wagten es
noch, ein wenig höher hinaufzurücken. Und zuletzt gab es überhaupt nichts
Lebendiges mehr.
Cornix hatte nun mit seinem Schwarm den
Kamm des Riesengebirges erreicht. Auch hier herrschten nur noch der Wind und
der Sturm. Kein Baum war zu sehen. Kein Vogel sang. Nichts wuchs hier als das
starre Berggras, aus dem die langen, bleichen Halme des Vorjahres herausragten,
als seien sie die weißen Haare der Berggipfel, über die der Wind dahinstrich.
»Hier mußte ja Rübezahl schwermütig
werden und vor sich hinbrüten! So ganz allein!« dachte Dott. »Sicher ist er nur
aus Langeweile vor den Wanderern aus der Erde heraufgeschossen, riesengroß und
mit dem Schürhaken in der Hand! An seiner Stelle wäre ich auf seinem langen,
langen Pferd, auf dem zehn Männer Platz haben, dahergekommen und ganz langsam
an den Wanderern vorübergezogen, nur so, zum Spaß!«
Wahrhaftig, es war ein großartiges
Reich, über das Rübezahl herrschte, voll wilder Schönheit und Reichtum und
Schrecken — so voller Gegensätze wie der Herr dieses Reiches selbst!
Es war darum auch ganz natürlich, daß
die Gedanken Dotts hierhin und dorthin gerissen wurden. — Wenn sie bei ihrem
wilden Ritt auf Cornix’ Rücken in den Abgrund der Schneegrube hinunterfuhr, wo
unter den brauenden Nebeln der Schnee mitten im Sommer meterhoch zwischen den
Gesteinstrümmern lag — oder wenn sie zwischen den totenstillen Felsenbergen
über den unbewegten Spiegel der Bergteiche dahinflog — dann stiegen die schreckensvollen
Geschichten über den mächtigen Geist des Riesengebirges immer wieder vor ihr
auf!
Schaute sie aber auf die Siedlungen der
Menschen und die friedlichen bunten Kühe, die dort auf den tiefgrünen Matten
weideten, mitten zwischen den rieselnden Quellen und der feierlichen Stille der
Tannenwälder — dann konnte sie nur noch an die schönen Geschichten denken, in
denen Rübezahl den Menschen durch seine Gaben geholfen hatte.
Denn wenn er die Menschen liebte, und
Dott wollte so gern glauben, daß er sie liebte, dann würde er ihr vielleicht
auch raten, wie sie den Weg zu dem geheimnisvollen Alten über den Wolken finden
könnte!
Hriob
Zagel
Die Krähen waren jetzt in eine Gegend
gekommen, in der die Bauden, wie die Häuschen der Gebirgler genannt werden,
fast bis zum Kamm hinaufstiegen. Hier und dort standen die kleinen Häuser an
den Berglehnen. Weder Scheune noch Stall noch Schuppen gab es neben dem
Wohngebäude, es gab keinen Hof und kein Blumengärtlein. Einsam und frei standen
die Häuschen hoch oben in den Bergen, und einige von ihnen hingen da in
schwindelnder Höhe, als seien sie an den Abhang geklebt.^
»Was ist denn das für ein kurzes Gras
bei euch?« fragte sie, als sie dicht an einigen Kühen vorüberflogen. »Das sieht
ja ganz borstig und
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