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Wunschkonzert: Roman (German Edition)

Wunschkonzert: Roman (German Edition)

Titel: Wunschkonzert: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hertz
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an, sich an den Tauschaktionen zu beteiligen, bis wir immerhin einen Dampfkochtopf ergattert haben. Den braucht zwar keine von uns, aber ist ja egal, es geht um die Sache.
    Samstagvormittag drehen wir mit Muttis Digitalkamera eine Szene aus ihrem Lieblingsfilm
Sissi
(»Franzl! G’schneit hat’s!«), und als wir sie später zusammen anschauen, lachen wir beide lauthals. Danach führe ich Mama mit verbundenen Augen kreuz und quer durch die Innenstadt und kontrolliere in regelmäßigen Abständen, ob sie auch wirklich nicht blinzeln kann. Obwohl meine Mutter mir am Anfang pausenlos beteuert, dass sie großes Vertrauen zu mir hat, ist sie steif wie ein Brett und bewegt sich mit der Geschmeidigkeit eines verrosteten Roboters. Aber langsam, ganz langsam wird es besser, auch wenn uns beiden der Schweiß auf der Stirn steht. Danach wiederholen wir die Übung mit mir, und ich komme nicht umhin, festzustellen, dass auch ich am Anfang alles andere als entspannt bin und sekündlich damit rechne, einen Bürgersteig runterzufallen. Doch es wird besser.
    Statt der Schnitzeljagd marschieren wir einmal quer durch den Stadtwald und absolvieren alle Stationen des Trimm-Dich-Pfads. Am Samstagabend gehen wir tanzen, feiern also quasi ein kleines Fest. Und wir haben Spaß miteinander. Jede Menge sogar. So viel wie schon lange nicht mehr.
    »Und?«, fragt Mama, als wir am Sonntagmorgen entspannt am Frühstückstisch in ihrer kleinen Küche sitzen. »Wohin willst du mich heute scheuchen?«
    »Heute«, ich senke geheimnisvoll die Stimme, »machen wir etwas ganz Besonderes. Wir gehen auf den
›Pfad der Wahrheit‹.
«
    »Pfad der Wahrheit?«,
wiederholt meine Mutter irritiert und sieht dabei vermutlich ähnlich ratlos aus wie ich noch vorgestern. Ich nicke.
    »Ja, das ist unsere letzte Aufgabe.«
    »Und die funktioniert wie?«
    »Ganz einfach«, erkläre ich, »du sagst mir ganz offen und ehrlich, wie du mich siehst. Und umgekehrt.«
    »Aber Stella, das weißt du doch alles!« Mama lacht. Und klingt dabei irgendwie ein kleines bisschen nervös.
    »Wir machen es trotzdem«, fordere ich energisch. »Ganz ehrlich, Mama: Was ich mir von meinen Kollegen so anhören musste, war alles andere als schön. Aber es hat auch etwas in mir angestoßen.«
    »Nämlich?«
    »Das erfährst du gleich. Erst einmal will ich von dir wissen, wie du mich siehst.« Sie seufzt.
    »In Ordnung, Stella.« Einen Moment lang scheint sie noch darüber nachzudenken, was sie jetzt sagen soll, dann fängt sie an: »Zuerst einmal bist du meine Tochter.«
    »Na, das ist doch wohl klar!«
    »Unterbrich mich nicht!«, sagt sie streng. Nein, nicht streng, eher entschieden. Und nicht halb so angriffslustig, wie ich es sonst von ihr kenne. »Wenn ich das schon mitmache, dann so, wie ich es möchte.«
    »Okay, ich halte die Klappe.« Ich ziehe mir mit einer Hand einen imaginären Reißverschluss über dem Mund zu.
    »Also«, fängt sie wieder an, »du bist meine Tochter. Meine einzige Tochter, die ich über alles liebe. Und auf die ich unglaublich stolz bin, denn sie ist ein ganz wunderbarer Mensch. Wir haben immer zusammengehalten, du und ich. Obwohl es weder für dich noch für mich immer leicht war, sind wir durch dick und dünn gegangen. Und auch wenn du manchmal etwas kratzbürstig bist, bist du zu einer tollen jungen Frau herangewachsen.« Sie macht eine Pause. Ich muss schlucken, weil mir gerade vor Rührung die Tränen in die Augen schießen. Das hört sich doch mal ganz anders an als das, was mir vor zwei Tagen von meinen Kollegen um die Ohren gehauen wurde.
    »Stella«, über den Küchentisch hinweg greift sie nach meiner Hand und drückt sie, »du bist mein Augenstern, und es gibt nichts, was ich mir mehr wünsche, als dass du glücklich wirst.«
    Ich springe auf und falle meiner Mutter um den Hals. Jetzt kullern mir wirklich ein paar Tränen über die Wangen.
    »Mama«, schluchze ich, »das ist so unglaublich süß von dir!« Ich gebe ihr einen dicken Schmatzer. »Und ich hab dich doch auch lieb!«
    Sie lacht. »Das hoffe ich doch!« Wir drücken uns noch einmal ganz fest, dann fordert meine Mutter: »So, mein Schatz, jetzt will ich wissen, was du mir zu sagen hast.« Ich setze mich wieder auf meinen Stuhl und räuspere mich.
    »Wie schon gesagt«, fange ich an, »ich hab dich auch sehr, sehr lieb. Und ich weiß auch, dass du dir wünschst, dass ich glücklich bin.«
    »Das ist ja wohl klar!«, werde ich unterbrochen.
    »Jetzt halt du den Mund«, gespielt drohe ich ihr

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