Wuppertod
Ulbricht«, half sie dem Chef auf die
Sprünge. »Ich muss zu ihm, wegen des Anschlags. Im
Präsidium ist er aber nicht.«
Eckhardt griente sie
an. »Sie sind unverbesserlich, Frau Göbel.« Dann
bemühte er seinen Computer. Dort hatte er Ulbrichts
Privatadresse hinterlegt. Er schmierte die Anschrift auf einen
kleinen Zettel und reichte ihn an Heike weiter. »Ich muss
nicht gesondert darauf hinweisen, dass diese Anschrift niemanden
etwas angeht«, brummte er.
»Das ist
selbstverständlich«, nickte Heike, bedankte sich und
meldete sich ab.
Eine Minute
später saß sie in ihrem roten Twingo und war auf dem Weg
zur Straße An der Bergbahn. Ein Katzensprung vom Studio aus.
Ulbrichts Wohnung lag in einem der Mietshäuser schräg
gegenüber der Schule. Heike fand eine freie Parkbucht und
überquerte die Straße. Zu ihrer Verwunderung war die
Haustüre nur angelehnt. Dann endlich stand sie vor der
Wohnungstüre mit dem Klingelschild Ulbricht. Sie
betätigte den Klingelknopf.
Drinnen tat sich
etwas. Schritte schlurften zur Tür, dann verdunkelte sich der
Türspion. Ein Mann wie Norbert Ulbricht öffnete wohl nie
die Türe, ohne vorher einen Blick durch den Spion zu
werfen.
Schließlich
öffnete er. Eine Zigarette klemmte in seinem Mundwinkel. Er
war unrasiert und wirkte total verschlafen.
Als er die Reporterin
erkannte, kam ein gequälter Laut über seine Lippen.
»Was wollen Sie?«
»Ihnen das
Rauchen abgewöhnen«, erwiderte sie und lachte.
»Darf ich eintreten?«
»Nein«,
erwiderte Ulbricht knapp und zurrte am Gürtel seines
verschlissenen, grauen Morgenmantels. Er verschluckte sich am
Zigarettenqualm und hustete.
Doch Heike ließ
sich nicht abwimmeln. »Es ist wichtig. Jemand hat versucht,
einen der Schauspieler am Set von Wuppertod zu erschießen.
Und da Sie mit der Klärung des Mordfalls an Tim Heiger betraut
sind, dachte ich …«
»Kommen Sie
schon.« Er gab den Eingang frei und führte sie in die
kleine Küche.
Heikes Blick fiel auf
den Abwasch, der sich in der Spüle türmte. Heike nutzte
ihren ganzen Charme, um von ihm keine Abfuhr zu bekommen.
»Nett haben Sie es hier.«
Jetzt ließen sie
sich am Küchentisch nieder. Ulbricht drückte die
Zigarette im Aschenbecher aus. »Also«, brummte er und
strich sich über das Kinn. Seine Bartstoppeln knisterten.
»Was ist so Tolles passiert?«
Heike berichtete ihm
mit wenigen Sätzen, was geschehen war.
»Bitte?«
Jetzt endlich war Ulbricht hellwach. »Warum weiß ich
noch nichts davon?« Er schüttelte den Kopf. »Ich
werde diesem verdammten Jupp Bock mal so richtig den
…« Er zuckte zusammen, als er seinen verbalen
Fast-Ausrutscher bemerkte, und grinste schief.
»Entschuldigung«, murmelte er. »Aber warum
erfahre ich nichts, wenn etwas
passiert?«
»Vielleicht weil
ihr Laden manchmal ziemlich träge arbeitet?« Heike
zwinkerte ihm verschwörerisch zu. »Aber dafür haben
Sie ja mich. Sie wissen ja, das Radio ist das schnellste Medium der
Welt.«
9. Kapitel
Die junge Frau mit den
schulterlangen, blonden Haaren weinte lautlos. Sie lehnte an der
Scheibe, die den Blick auf die Intensivstation ermöglichte.
Schwestern in grüner OP-Bekleidung eilten vorbei, ohne Notiz
von ihr nehmen. Es herrschte ein hektisches Treiben auf dem kahlen
Krankenhausflur. Es roch penetrant nach
Desinfektionsmitteln.
Norbert Ulbricht und
Heike traten von hinten an Kathrin Jungmann heran. Nachdem sie
nicht reagierte, als Ulbricht sich räusperte, sprach Heike sie
an. »Frau Jungmann?« Sie legte ihr eine Hand auf die
Schulter.
Träge wandte
Kathrin Jungmann sich um und betrachtete Heike und den Kommissar.
»Ja?« Ihre Stimme war nichts als ein matter
Hauch.
Der Kommissar hielt
sich zurück. Heike wusste, dass er Szenen wie diese
hasste.
»Wer sind
Sie?«, fragte die junge Frau.
»Mein Name ist
Heike Göbel.«
»Ich kenne Sie
… Ihren Namen. Vom Radio.«
»Ja,
Wupperwelle, richtig«, nickte Heike. Sie deutete auf
Ulbricht, der die Hände in den Taschen seines verknitterten
Trenchcoats vergraben hatte. »Das hier ist Kommissar Ulbricht
von der Wuppertaler Mordkommission.«
»Lars ist nicht
tot. Er lebt.«
»Darüber
sind wir froh«, nickte Heike. »Dennoch scheint es
jemand auf die Darsteller des Films abgesehen zu haben. Es steht
wohl außer Frage, dass Ihr Freund sterben
sollte.«
Ein stummer Weinkrampf
schüttelte die junge Frau.
Heike nahm sie in den
Arm. »Er lebt«, sagte sie. »Ihr Freund lebt und
das ist die Hauptsache. Die Ärzte werden
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