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. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen

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Titel: . . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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schulterlanges, blondes Haar. Nicht unattraktiv, wenn sie auch ganz sicher nicht dem allgemeinen Schönheitsideal entspricht. Auffallend war, daß sie eine ziemlich schlechte Haut hatte. Ich nehme an, daß sie darunter sehr gelitten haben wird. Und nun Valerie. Rundherum hübsch, mit einer starken sexuellen Ausstrahlung, mit der sie alle Männer in ihrer Umgebung unweigerlich in ihren Bann zieht. Nun versetzen Sie sich einmal an Acums Stelle. Er sieht Valerie fast täglich während der Französischstunden und verliebt sich in sie. Vielleicht redet er sich in seiner Verliebtheit sogar ein, sie sei begabt, daß sie nur den richtigen Ansporn haben müsse, um mehr zu leisten. Ob nun mit Hintergedanken oder aus ganz uneigennützigen Gründen – er spricht sie an und schlägt ihr vor, ihr Nachhilfeunterricht zu geben. Überlegen wir mal, wie es weitergegangen sein wird. Mrs. Acum ist vielleicht an einem bestimmten Abend in der Woche regelmäßig nicht zu Hause. Vielleicht hat sie am Technikum in Headington einen Nähkurs belegt. Ich weiß, Lewis, Sie ärgern sich immer über die vielen ausgedachten Details, aber unterbrechen Sie mich jetzt mal nicht. Wo war ich stehengeblieben? Ah ja. Acum schlägt Valerie also vor, an den Mittwochabenden zu ihm nach Hause zu kommen – ohne allerdings seiner Frau etwas davon zu sagen. Eine Zeitlang geht alles gut. Doch dann, eines Abends im März, fallt der Nähkurs aus, weil die Lehrerin Grippe bekommen hat, und Mrs. Acum kehrt früher zurück als gewohnt, so gegen Viertel vor acht, und findet ihren Mann und Valerie zusammen im Bett. Sie ist empört und verletzt. Die Ehe ist damit für sie beendet, was aber noch nicht notwendigerweise bedeuten muß, daß sie Acum nun ruinieren will. Es mag sein, daß sie sich selbst auch ein Teil Schuld an der Entwicklung gibt. Vielleicht ist sie gehemmt, und sie und ihr Mann hatten keinen Spaß beim Sex. Wie auch immer. Zwischen den beiden ist es also aus. Sie leben zwar noch im selben Haus, aber sie schlafen in getrennten Zimmern und sprechen kaum noch miteinander. So sehr sie es auch versucht, sie kann ihm seine Affäre mit Valerie nicht verzeihen. Sie beschließen, sich am Ende des Schuljahres zu trennen. Acum sieht ein, daß es für beide besser ist, wenn er sich an einer Schule in einer anderen Stadt bewirbt. Ob er Phillipson die Wahrheit gesagt hat, weiß ich nicht. Vielleicht hat er sich, als er seine Kündigung einreichte, noch um eine wahrheitsgemäße Erklärung herumgedrückt und sah sich erst später dazu genötigt, als sich herausstellte, daß Valerie schwanger war und er der Vater. So kommt es also zu der von Ihnen heute morgen bereits beschriebenen gemeinsamen Aktion. Valerie, Acum, Phillipson und Mrs. Taylor – wieweit George mit drinsteckte, kann ich nicht sagen. Sie arrangieren erst die Sache mit der Abtreibung und besorgen – nachdem feststeht, daß Acum zum nächsten Schuljahr in Caernarvon eine Stelle haben wird – das Haus hier. Der Eingriff verläuft wie geplant, und Valerie fährt direkt von London nach Wales, um hier auf Acum zu warten, denn er kann ja nicht vor Mitte Juli in Kidlington weg. Seither spielte sie hier die Rolle der braven kleinen Frau, machte sauber, wischte Staub, stellte Blumen in die Vasen – und das tut sie heute noch. Wo sich die echte Mrs. Acum aufhält, kann ich Ihnen nicht sagen, aber das läßt sich sicher leicht herausfinden. Wenn Sie mir erlauben zu raten, würde ich darauf tippen, daß sie wieder bei ihrer Mutter lebt, in einem Dorf in der Nähe von Exeter.«
    Morse schwieg. Er hatte anscheinend alles gesagt, was zu sagen war. Nach ein paar Minuten hielt Lewis die völlige Stille nicht mehr aus, holte ein Tuch aus dem Handschuhfach und begann, die beschlagenen Scheiben klarzuwischen. Morse’ Rekonstruktion der Ereignisse schien lückenlos überzeugend, und er hatte sich, während er zuhörte, mehrere Male dabei ertappt, wie er bestätigend mit dem Kopf genickt hatte.
    Plötzlich sah Morse auf die Uhr. »Kommen Sie, Lewis«, sagte er. »Wir haben lange genug gewartet.«
    Das seitliche Gartentürchen war verschlossen, und Lewis stieg umständlich darüber hinweg. Das kleine Oberlicht an der Küche hinten stand etwas offen; er kletterte auf die Regentonne, konnte jetzt seinen Arm durch den Spalt schieben und so den Riegel des großen Fensters öffnen. Drinnen landete er auf der Spüle und sprang von da in die Küche. Schwer atmend ging er zur Haustür, um den Inspector einzulassen. Im ganzen Haus

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