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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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wütende Gesicht des verhaßten toubob , der ihn hergebracht hatte. Der toubob fluchte und gab Kunta mit drohenden Gesten zu verstehen, daß er Schläge zu erwarten hatte, wenn er nicht aß. Dann ging er.
    Kunta kratzte mit der linken Hand ein wenig von der harten Erde zusammen, auf der der toubob gestanden hatte, und rief alle bösen Geister an, den, der auf dieser Erde gestanden hatte, samt allen Nachkommen bis in alle Ewigkeit zu peinigen.

Kapitel 44
    Kunta zählte vier Tage und drei Nächte in der Hütte. Abends hörte er in der Nähe singen. Er fühlte sich bewußter als Afrikaner denn jemals zu Hause. Was sind das bloß für Schwarze, dachte er, die hier im Lande der toubobs singen? Wie viele von solchen Schwarzen gibt es wohl im ganzen toubob- Land, die nicht wissen, wer sie sind, und denen das ganz gleichgültig ist?
    Besonders hingezogen fühlte Kunta sich allmorgendlich zur aufgehenden Sonne. Ihm fiel ein, was ein alter alcala während der Seereise einmal gesagt hatte: »Die Sonne jedes neuen Tages erinnert uns daran, daß sie in unserem Afrika aufging, und Afrika ist der Nabel der Welt.«
    Obwohl er in Spreizlage mit vier Ketten gefesselt war, brachte er es inzwischen fertig, auf Rücken und Gesäß so vor- und zurückzurutschen, daß er die kleinen, aber dicken Eisenringe näher in Augenschein nehmen konnte, mit denen die Ketten an den vier Pfosten in den Ecken der Hütte befestigt waren. Die Pfosten waren etwa so dick wie ein Unterschenkel und weder zu brechen noch aus dem festgestampften Boden zu reißen. Sie reichten bis ins Dachgebälk. Er prüfte aufmerksam die kleinen Löcher in den dicken Metallringen, denn er hatte gesehen, wie seine Wärter ein kleines Eisending in die Löcher steckten und herumdrehten, wobei es klick ! machte. Als er einen der Ringe anfaßte, rasselte die Kette so laut, daß es draußen zu hören war. Das ging also nicht. Er versuchte nun, ein Kettenglied aufzubeißen, doch brach ihm dabei ein Zahn ab, und der Schmerz war teuf­lisch.
    Auf der Suche nach Erde, die sich zum Kneten eines Fetischs für die Geister besser eignete als der Dreck vom Fußboden, probierte Kunta es mit dem rötlichen Lehm zwischen den Holzstämmen. Der enthielt allerdings kurze, schwarze Borsten, die sich bei genauer Betrachtung als Haare vom unreinen Schwein erwiesen. Er warf Borsten und Lehm fort und wischte die Hand ab, die beides berührt hatte.
    Am fünften Tag kam der Schwarze gleich nach dem Hornsignal herein, und Kunta verkrampfte sich innerlich, als er den Mann außer dem üblichen kurzen Prügel zwei dicke Eisenschellen tragen sah. Der Schwarze befestigte zunächst die Schellen, die durch eine schwere Kette verbunden waren, an Kuntas Fußgelenken. Danach erst schloß er die vier Ketten auf, die Kunta in die Spreizlage gezwungen hatten. Kunta reagierte auf die Befreiung von seinen Fesseln sehr unklug: er sprang auf und wurde auch schon von der Faust des Schwarzen niedergeschlagen, der darauf nur gewartet hatte. Wiederholte Versuche scheiterten an weiteren Schlägen und höchst schmerzhaften Tritten. Endlich begriff Kunta, daß dieser Schwarze es darauf abgesehen hatte, ihm nachhaltig einzubleuen, daß Kunta ihn als seinen Herrn zu akzeptieren habe.
    Endlich bedeutete er Kunta mit einer schroffen Geste, er solle aufstehen, und als ihm das zu langsam ging, riß er Kunta fluchend in die Höhe und stieß ihn vor sich her. Die Fußschellen hinderten Kunta sehr beim Gehen.
    Das helle Tageslicht vor der Tür blendete Kunta zwar, doch sah er immerhin Schwarze im Gänsemarsch vorüberziehen, dicht gefolgt von einem toubob auf einem »Pferd«, wie er das merkwürdige Tier hatte nennen hören. Kunta erkannte ihn am Geruch: er hatte das Seil gehalten, nachdem die Hunde Kunta gestellt hatten. Es mochten zehn, zwölf Schwarze sein. Die Frauen trugen rote oder weiße Kopftücher, die Männer und Kinder ausgefranste Strohhüte; etliche waren barhäuptig. Offenbar trug keiner von ihnen einen Talisman um den Hals oder am Arm. Einige führten lange, kräftige Messer mit, und das Ziel waren wohl die großen Felder. Dies mußten die Leute sein, die abends zu singen pflegten. Kunta empfand nichts als Verachtung für sie. In die andere Richtung blinzelnd, zählte er die Hütten, aus denen sie gekommen waren: es waren zehn, seine mitgerechnet, sämtlich sehr klein und nicht so solide wie die Lehmhütten in Juffure mit den Dächern aus süß riechendem Stroh. Je fünf standen einander gegenüber, und die Gasse zwischen

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