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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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nachsann. Die hiesigen Schwarzen schienen kein anderes Bestreben zu kennen, als dem toubob mit der Peitsche zu gefallen. Es widerte ihn an, zu sehen, wie sie sich abrackerten, sobald ein toubob sich blicken ließ, und wie eifrig sie deren Anweisungen befolgten. Was brachte sie nur dazu, sich wie Ziegen und Affen zu benehmen? Vielleicht lag es daran, daß sie nicht in Afrika, sondern hier geboren waren und diese Hütten aus Stämmen mit Lehm und Schweineborsten dazwischen als ihr Zuhause betrachteten. Sie hatten nie erfahren, was es bedeutet, nicht für toubob -Herren, sondern für sich selbst und ihr eigenes Volk in glühender Sonne zu arbeiten.
    Kunta schwor sich, nie so wie sie zu werden, so lange er auch unter ihnen leben mußte, und allabendlich zerbrach er sich den Kopf darüber, wie er aus diesem verhaßten Land fliehen könnte. Es peinigte ihn, sich eingestehen zu müssen, wie kläglich er bisher versagt hatte. Rief er sich das Dornengestrüpp und die geifernden Hunde ins Gedächtnis, wurde ihm klar, daß er sich für das nächste Mal einen besseren Plan zurechtlegen mußte. Vor allem brauchte er einen Talisman, der ihm helfen würde, und eine Waffe. Schon ein zugespitzter Ast hätte ausgereicht, den Hunden den Bauch aufzuschlitzen, und er wäre auf und davon gewesen, bevor der Schwarze und der toubob sich durch das Dickicht kämpfen konnten. Und schließlich mußte er sich mit der Gegend vertraut machen, damit er bei einer neuerlichen Flucht wußte, wo er sich verstecken konnte.
    Kunta hing oft die halbe Nacht solchen Gedanken nach, doch wachte er stets vor dem ersten Hahnenschrei auf, der offenbar auch die Vögel weckte, die übrigens nur zwitscherten und sangen. Das ohrenbetäubende Geschrei der grünen Papageien, die in Juffure den Tag ankündigten, fehlte hier ganz, und auch Affen gab es nicht, die daheim den Sonnenaufgang schnatternd begrüßten und boshaft Zweige nach den Menschen warfen, die unter ihren Bäumen standen. Ziegen hatte Kunta ebenfalls noch keine gesehen, was ihn genauso unfaßlich dünkte wie die Tatsache, daß man hier Schweine in Pferchen hielt und diese unreinen Tiere sogar noch fütterte.
    Das Quieken der Schweine fand Kunta übrigens nicht abstoßender als die Sprache der toubobs , die ihnen so sehr ähnelte. Was hätte er nicht darum gegeben, einen einzigen Satz auf Mandinka oder in einer anderen afrikanischen Sprache zu hören! Er sehnte sich nach seinem alten Kettengefährten, auch nach denen, die keine Moslems waren, und fragte sich, was wohl aus ihnen geworden war. Wohin hatte man sie gebracht? Auf andere toubob- »Farmen« wie diese hier? Gewiß sehnten sie sich ebenso wie er nach dem vertrauten Klang der Muttersprache und kamen sich ausgeschlossen und vereinsamt vor, weil sie nichts von der toubob- Sprache verstanden.
    Kunta sah ein, er würde einiges von dieser fremden Sprache lernen müssen, wenn er genug über die toubobs und ihre Lebensweise in Erfahrung bringen wollte, um ihnen entfliehen zu können. Insgeheim hatte er sich schon einige Wörter gemerkt: »Schwein«, »Wassermelone«, »Faselbohnen«, »Aufseher«, »Masser« und vor allem »Jasörr, Masser«, so ziemlich das einzige, was er die Schwarzen je zu ihnen sagen hörte. Er wußte auch, daß die toubob- Frau, die mit dem Masser in dem großen weißen Haus wohnte, »Missis« von ihnen genannt wurde. Einmal hatte Kunta sie von ferne zwischen Ranken und Büschen am Haus gesehen, wo sie Blumen schnitt – hager und bleich wie ein Krötenbauch.
    Andere toubob- Wörter verwirrten ihn meist nur, doch setzte er hinter der Maske seines ausdruckslosen Gesichts alles daran, ihnen einen Sinn zu geben. Nach und nach brachte er verschiedene Laute mit bestimmten Gegenständen und Handlungen in Verbindung. Ein Wort allerdings blieb ihm ganz rätselhaft, obwohl er es täglich hörte, von toubobs wie von Schwarzen. Was, so fragte er sich, bedeutet »Nigger«?

Kapitel 46
    Als das Hauen und Aufsetzen der Maisstengel beendet war, teilte der Aufseher die Schwarzen morgens nach dem Frühstück zu verschiedenen Arbeiten ein. Einmal sollte Kunta »Kürbisse« abnehmen und auf einen »Wagen« laden, wie der rollende Kasten genannt wurde. Die »Kürbisse« kamen ihm recht bekannt vor; daheim in Juffure wurden sie ausgehöhlt und getrocknet und dienten als Gefäße im Haushalt. Hier hatten sie eine etwas andere Farbe.
    Als Kunta mit den »Kürbissen« auf dem »Wagen« zu einem großen Gebäude fuhr, das man »Scheune« nannte, sah er

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