Wurzeln
einige schwarze Männer, die einen großen Baum in Stücke sägten und diese mit Äxten und Keilen zu Brennholz spalteten, das von Kindern aufgeschichtet wurde. Anderswo hängten zwei Männer Blätter über dünne Stangen, und Kunta roch, daß es unreiner heidnischer Tabak war. Er kannte den Geruch von einer Wanderung mit seinem Vater.
Bei dieser Gelegenheit machte er die Beobachtung, daß überhaupt vieles wie bei ihm daheim für den späteren Gebrauch getrocknet wurde. Frauen sammelten dickes braunes »Bartgras«, wie er es nennen hörte, und machten daraus Bündel. Gemüse wurde zum Trocknen auf Tüchern ausgebreitet. Auch Moos, von Kindern gesammelt und in kochendes Wasser getaucht, wurde getrocknet; er konnte sich nicht vorstellen, wozu.
Von Ekel erfüllt, sah und hörte er, wie Schweine geschlachtet wurden. Deren Borsten wurden übrigens ebenfalls getrocknet und aufbewahrt, wahrscheinlich, um den Mörtel zu verstärken. Den Rest aber gab es ihm, als er sehen mußte, daß man die Därme der geschlachteten Schweine aufblies, an den Enden zuknüpfte und zum Trocknen an einen Zaun hängte – Allah mochte wissen, zu welchem unheiligen Zweck.
Als Kunta mit den »Kürbissen« fertig war, wurde er mit mehreren anderen zum Nüsseschütteln geschickt; die abgefallenen Nüsse wurden von Kindern des ersten kafo in Körbe gesammelt. Kunta steckte eine Nuß ein, um sie später, wenn er allein war, zu probieren; sie schmeckte gut.
Später wurden die Männer zu Ausbesserungsarbeiten abgestellt. Kunta half einen Zaun flicken. Die Frauen waren derweil mit Reinemachen in dem weißen Haus und in ihren Hütten beschäftigt. Einige hatten große Wäsche. Zuerst kochten sie die Kleider in einem schwarzen Kessel, dann fuhren sie damit an einem gewellten Blech rauf und runter; warum nur wußte keine, daß man Wäsche auf Steinen klopfen muß?
Die Peitsche des Aufsehers knallte jetzt weniger oft, und Kunta fand, daß hier eine ähnliche Stimmung einzog wie in Juffure nach Beendigung der Erntearbeit. Wenn jetzt dieser oder jener Feldarbeiter die Arbeit schon hinwarf, bevor das Horn ertönte, riß der Aufseher zwar sein Pferd herum und hob die Peitsche, es war aber unverkennbar, daß er es nicht ernst meinte. Hier und dort fing jemand zu singen an, bald fielen die anderen Männer ein und schließlich auch die Frauen. Was sie sangen, verstand Kunta allerdings nicht. Nach wie vor wollte er mit ihnen nichts zu tun haben und war froh, wenn das Horn geblasen wurde und alle in ihre Hütten zurückkehren durften.
Abends saß Kunta meist im Eingang zu seiner Hütte, die Füße flach auf den festgestampften Boden gestellt, damit die eisernen Schellen seine schwärenden Fußgelenke möglichst wenig scheuerten. Ging eine Brise, genoß er ihren Hauch auf seinem Körper und dachte an den frischen Teppich von goldenen und rotbraunen Blättern, den er am nächsten Morgen unter den Bäumen finden würde. In solchen Augenblicken erinnerte er sich an die Abende während der Erntezeit in Juffure, wo die von Stechmücken und anderen Insekten geplagten Menschen um stark qualmende Feuer saßen und lange Gespräche führten, untermalt vom Fauchen eines fernen Leoparden oder dem Geheul der Hyänen.
Was er hier nicht hörte, was er seit dem Verlassen Afrikas nicht mehr gehört hatte, war die Stimme der Trommel. Die toubobs gönnten den hiesigen Schwarzen offenbar keine Trommeln, das mußte der Grund sein. Aber warum? Wußten die toubobs , daß die Töne der Trommel das Blut in Wallung versetzen, bis sogar kleine Kinder und zahnlose Alte selbstvergessen tanzen? Daß der Rhythmus der Trommel den Ringer zu größerer Kraftentfaltung, den Krieger wie im Rausch gegen den Feind treibt? Oder wollten die toubobs verhindern, daß die Schwarzen sich unkontrolliert miteinander durch die Trommel verständigten, von Farm zu Farm?
Die heidnischen Schwarzen hier verstanden die Sprache der Trommel aber wohl ebensowenig wie die toubobs. Immerhin mußte Kunta, wenn auch widerstrebend, zugestehen, daß die hiesigen Heiden möglicherweise nicht rettungslos verloren waren, denn manches in ihrem Verhalten war rein afrikanisch, wenngleich sie sich dessen, wie Kunta wohl erkannte, keineswegs bewußt waren. Ihre spontanen Ausrufe, Gesten und das sie begleitende Mienenspiel waren Kunta von Kindheit an vertraut, und auch in ihren Körperbewegungen glichen sie ganz den Afrikanern. Das galt auch für ihr Lachen, wenn sie unter sich waren – sie lachten mit dem ganzen Körper, genau
Weitere Kostenlose Bücher