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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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damit ab und paßt dich an, Toby, hörst du?«
    Kunta wurde wütend. »Kunta Kinte!« platzte er heraus, über sich selbst erstaunt.
    Der Braune war ebenfalls verblüfft. »Na so was, kannst ja reden! Aber ich sag dir, Junge, du mußt dieses afrikanische Geplapper vergessen. Weiße werden nur wütend, und Nigger kriegen Angst. Du heißt Toby. Mich nennen sie Fiedler.« Er deutete auf sich. »Sag mal Fiedler.« Kunta blickte ihn ausdruckslos an, obwohl er genau verstand. »Fiedler! Ich bin ein Fiedler. Verstehst du – Fiedler?« Er machte eine sägende Bewegung mit der rechten Hand über den linken Arm. Diesmal war Kuntas verständnisloser Blick echt.
    Ungeduldig stand der Braune auf und holte aus einer Ecke den seltsam geformten Kasten, den er in dem Wagen mitgebracht hatte. Er öffnete ihn und nahm ein noch seltsamer geformtes Ding aus hellbraunem Holz heraus, das einen schlanken schwarzen Hals und vier straff gespannte Saiten hatte. Es glich jenem Musikinstrument, auf dem der Alte auf der anderen Farm gespielt hatte. »Fiedel!« rief der Braune aus.
    Da sie allein waren, entschloß sich Kunta, das Wort zu wiederholen: »Fiedel.«
    Der Braune machte ein zufriedenes Gesicht, legte die Geige in den Kasten zurück und verschloß ihn wieder. Dann blickte er sich um und deutete. »Eimer!« Kunta wiederholte das Wort und prägte sich ein, welches Ding es bezeichnete. »Jetzt – Wasser!« Kunta wiederholte.
    Nachdem sie gut zwanzig neue Wörter durchgegangen waren, deutete der Braune stumm auf Geige, Eimer, Wasser, Stuhl, Maiskolben und andere Dinge und forderte Kunta auf, das jeweils richtige Wort zu nennen. Einige konnte Kunta sofort sagen; bei anderen hatte er Mühe und wurde verbessert. Manche wußte er nicht mehr. Der Braune frischte sein Gedächtnis auf, und dann hörte er ihn noch einmal ab. »Du bist nicht so dumm, wie du aussiehst«, brummte er beim Abendessen.
    Die Lektionen gingen während der nächsten Tage weiter, und aus den Tagen wurden Wochen. Erstaunt stellte Kunta fest, daß er nicht nur etwas verstehen, sondern sich bald auch dem Braunen verständlich machen konnte. Ihm lag sehr daran, daß der Braune begreifen sollte, weshalb er sich weigerte, seinen Namen und seine Herkunft zu verleugnen, und weshalb er lieber als freier Mann auf der Flucht sterben denn als Sklave weiterleben wollte. Mangels Worten konnte er das nicht so ausdrücken, wie er es wünschte, doch er merkte, der Braune verstand ihn, denn er runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. Eines Nachmittags war schon ein anderer Gast in der Hütte, als Kunta kam. Es war der alte Mann, den er ab und zu in dem Blumengarten bei dem großen Haus hatte arbeiten sehen. Kunta sah den Braunen fragend an, und als dieser nickte, beschloß er, sich hinzusetzen.
    Der Alte begann zu sprechen. »Fiedler hat mir gesagt, du bist viermal ausgerissen. Du siehst ja, was dabei rausgekommen ist. Ich hoffe nur, du hast draus gelernt. So wie ich. Ist nämlich nicht neu, was du gemacht hast. Als ich jung war, bin ich so oft fortgelaufen, daß sie mir fast die Haut vom Leib gezogen haben, bis ich gesehn hab, du kannst nirgendwohin laufen. Renn zwei Staaten weit weg, sie schreiben drüber in der Zeitung, und früher oder später wirst du geschnappt und halbtot geschlagen und bist bald wieder, wo du vorher warst. Gibt kaum einen, der nicht an Weglaufen gedacht hat. Auch die Nigger, die am meisten grinsen, denken dran. Gibt aber keinen, der’s geschafft hat, hab von keinem nicht gehört. Wird Zeit, daß du dich damit abfindest, wie’s ist, statt deine jungen Jahre zu verschwenden wie ich und an was zu denken, was nicht geht. Ich bin jetzt alt und schlapp. Schätze, seit du geboren bist, lauf ich hier rum wie der dumme faule Nigger, der sich nur am Kopf kratzt, so wie die Weißen sagen, daß wir sind. Der Masser behält mich nur hier, weil er weiß, ich bring nichts ein bei der Versteigerung, und er hat mehr von mir, wenn ich ein bißchen im Garten arbeite. Aber ich hab von Bell gehört, der Masser sagt, du sollst mir morgen helfen.«
    Da der Fiedler wußte, daß Kunta von dieser Rede kaum etwas verstanden hatte, verbrachte er die nächste halbe Stunde damit, ihm den Sinn der Worte des alten Gärtners zu erklären – nur langsamer und einfacher, in Begriffen, mit denen Kunta vertraut war. Fast alles, was der Gärtner gesagt hatte, nahm Kunta mit gemischten Gefühlen auf. Er war sich bewußt, daß der Alte es gut meinte mit seinem Ratschlag – und er glaubte auch

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