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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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»Ich geh nicht so zimperlich mit Niggern um wie mein Bruder. Und wenn einer von euch so eine Fratze schneidet, als ob er auch nur daran denkt , über die Stränge zu schlagen, dann kann nicht mal mein Bruder mehr viel an dem Loch rumdoktern, das ich ihm zwischen die Augen knalle. – Abtreten!«
    Masser John hielt Wort. Zwei Tage lang brachte er Bell mit der Forderung zur Weißglut, daß Kizzy die Speisen vorkosten sollte, die sie ihm auf den Tisch stellte. Tagsüber ritt er zur Kontrolle die Felder ab, und abends saß er, ein Gewehr quer über den Knien, auf der Veranda. Seine Wachsamkeit war unablässig, so daß man im Sklavenquartier nicht einmal über den Aufstand zu tuscheln wagte, geschweige denn selbst einen zu planen. Als die nächste Nummer der Gazette kam, verbrannte Masser John sie nach dem Lesen sogleich im Kamin, und als ein weißer Nachbar ihn besuchte, schickte er Bell solange aus dem Haus, und die beiden hockten bei geschlossenen Türen und Fenstern im Arbeitszimmer zusammen. So war es den Schwarzen unmöglich, etwas Näheres über die Verschwörung zu erfahren oder über deren Nachwirkungen, was Bell und die anderen fast krank machte – nicht wegen Kunta, denn der war beim Masser in Sicherheit, aber wegen des Fiedlers, der am Tage vor dem Aufstand zu einem großen Ball nach Richmond beordert worden war. Man mochte sich gar nicht ausmalen, was einem fremden Schwarzen in Richmond passieren konnte, der verängstigten, wütenden Weißen in die Hände geriet.
    Der Fiedler war noch immer nicht zurück, als Kunta und der Masser, infolge des Aufstands drei Tage früher als vorgesehen, wieder zu Hause eintrafen. Noch am Tag von Masser Johns Abfahrt wurden die Vorschriften etwas gelockert, jedoch nicht gänzlich aufgehoben, und der Masser war sehr kalt gegen jedermann. Was Kunta in Fredericksburg unterderhand gehört hatte, konnte er Bell erst abends erzählen, als sie allein in der Hütte waren: Die gefangenen schwarzen Aufrührer waren gefoltert worden, damit sie den Behörden auf die Spur der anderen Beteiligten halfen, und einer hatte unter der Tortur gestanden, der Kopf der Revolte sei ein freier schwarzer Schmied namens Gabriel Prosser, der etwa zweihundert ausgewählt tüchtige Schwarze – Hausdiener, Gärtner, Pförtner, Kellner, Eisenarbeiter, Seiler, Bergleute, Schiffer, ja sogar Prediger – auf seine Seite gebracht und über ein Jahr auf den Kampf vorbereitet habe. Prosser war noch auf freiem Fuß, sagte Kunta, und die Miliz kämmte die Gegend nach Verdächtigen durch; arme weiße Schlucker »pattrollierten« auf eigene Faust und terrorisierten die Straßen, und es ging das Gerücht, daß manche Massers ihre Sklaven wegen jeder Kleinigkeit prügelten, in einzelnen Fällen sogar totschlugen.
    »Unsere einzige Hoffnung ist, scheint’s, daß sie ohne uns nicht auskommen«, sagte Bell. »Wenn sie uns alle umbringen, haben sie keine Sklaven mehr.«
    »Ist der Fiedler wieder da?« fragte Kunta, etwas beschämt, weil er den Freund über seinem eigenen Erlebnisbericht beinahe vergessen hätte. Bell schüttelte den Kopf. »Wir machen uns alle mächtige Sorgen. Aber der Fiedler ist ein schlauer Bursche. Er wird schon gut heimkommen.«
    »Noch ist er nicht da …«, wandte Kunta ein.
    Als der Fiedler auch am nächsten Tag nicht kam, schrieb der Masser eine Vermißtenmeldung an den Sheriff und beauftragte Kunta, diese bei der Distriktsbehörde abzuliefern.
    Der Sheriff hatte die Botschaft nur schweigend gelesen und den Kopf geschüttelt. Kunta fuhr langsam und bedrückt heimwärts, starrte geradeaus auf die Straße und fragte sich, ob er den Fiedler wohl jemals wiedersehen werde. Jetzt lag es ihm schwer auf der Seele, daß er ihm nie so richtig gesagt hatte, welch guter Freund er ihm gewesen war – ungeachtet seines Trinkens, Räsonierens und anderer kleiner Fehler. Da vernahm er plötzlich eine Stimme, die das Genäsel der armen Weißen nachahmte: »He, Nigger!«
    Kunta traute seinen Ohren nicht, denn er sah niemanden. »Zum Teufel, wo willst du hin?« rief die Stimme wieder, und er zügelte die Pferde, um sich nach allen Seiten umzublicken. Die Straße war leer. Doch plötzlich ertönte es: »Du hast keinen Passierschein, Kerl, du kannst dich auf was gefaßt machen!« – und aus einer Mulde kroch, über und über verdreckt und zerkratzt, aber den sturmerprobten Geigenkasten noch in der Hand und von einem Ohr zum anderen grinsend – der Fiedler.
    Kunta sprang mit einem lauten Aufschrei vom Kutschbock,

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