Wurzeln
und im nächsten Moment lagen er und der Fiedler einander in den Armen und tanzten einen Freudentanz.
»Du bist das Urbild eines Afrikaners, dacht ich wenigstens immer«, lachte der Fiedler. »Stimmt aber nicht – ein echter würde mir nie so zeigen, daß er sich freut.«
»Weiß selber nicht, warum«, sagte Kunta beschämt.
»Nettes Willkommen für einen Freund, der auf Händen und Füßen den ganzen Weg von Richmond zurückgekrochen ist, bloß um dein häßliches Gesicht wiederzusehn!«
Kuntas wiederhergestellter Ernst entsprach seiner Sorge. »War’s schlimm, Fiedler?«
» Schlimm ist gar kein Ausdruck. Hab schon gedacht, ich spiel ’n Duett mit den Engeln, eh ich aus der Stadt rauskomm!« Kunta nahm den verschrammten Geigenkasten auf, und während sie beide in den Wagen kletterten, redete der Fiedler pausenlos weiter. »Die Weißen in Richmond sind reineweg verrückt vor Angst. Die Miliz hält jeden Nigger an, und wer keinen Passierschein hat, landet mit ’nem Brummschädel im Knast. Und die haben noch Glück gehabt. Das weiße Pack streunt in Rudeln auf den Straßen rum wie bissige Köter. Die stürzen sich auf die Nigger und richten sie zu, daß sie nicht mehr wissen, ob sie Männlein oder Weiblein sind.« Er hielt kurz inne. »Der Ball, auf dem ich gespielt hab, war in vollem Gang, als zuerst was über den Aufstand verlautete. Die Missys fingen an zu kreischen und die Hände zu ringen und durcheinanderzulaufen wie die Hühner, und die Massers zielten gleich mit ihren Schießeisen auf die Niggerband. In all dem Trubel konnt ich in die Küche schlüpfen, und da hab ich mich in ’ner Mülltonne versteckt, bis alle weg waren. Dann klettere ich aus dem Fenster und schleich mich durch die Hintergassen, wo keine Laternen sind. Erst am Stadtrand hör ich auf einmal Geschrei hinter mir und Fußgetrappel von ’ner ganzen Horde, die mir nachkam. Irgendwie merk ich schon, daß es keine Schwarzen sind, aber ich hab lieber nicht gewartet, bis ich’s genau sah. Ich drück mich geduckt um die nächste Ecke, hör aber, wie sie näher kommen, und fang schon mein letztes Gebet an, da stoß ich im Dunkeln auf so ’ne richtig schöne niedrige Veranda und roll mich unter die Pfosten. Mächtig eng da drin, und ich krauch zollweise zurück, während oben schon das weiße Pack mit Fackeln vorbeirennt und schreit: ›Fangt den Nigger!‹ Plötzlich prall ich gegen was Großes, Weiches, und eine Hand hält mir den Mund zu, und eine Niggerstimme sagt: ›Nächstes Mal klopf gefälligst vorher an!‹ Wie sich rausstellt, ist es ’n Speicher-Nachtwächter, dem war ’n Freund von der Meute in Stücke gerissen worden, und er hat nicht die Absicht, vor nächstem Frühjahr unter der Veranda rauszukommen, wenn die Geschichte so lange dauert.
Na ja«, fuhr der Fiedler fort, »nach ’ner Weile wünsch ich ihm Glück und hau für mein Teil lieber ab in die Wälder. Das ist nun fünf Tage her. Wenn nicht Pattroller auf den Straßen gewesen wärn, hätt ich’s auch in fünf Tagen geschafft, aber so mußt ich immer möglichst im Dickicht bleiben. Hab mich von Beeren ernährt und bei den Karnickeln geschlafen. Ging alles ganz gut, bis mich gestern ein paar wirklich gemeine Kerls im Freien geschnappt haben. Die gieren alle bloß so drauf, mal eigenhändig ’n Nigger auszupeitschen oder sogar aufzuhängen – ’n Seil dafür hatten sie schon dabei. Na, die stoßen mich hin und her und fragen, wer mein Masser ist und wo ich hin will, hören aber gar nicht hin, was ich antworte – bis ich sag, ich bin ein Fiedler, das sieht man doch an meinem Geigenkasten. Da haken sie nach, denken, ich schwindle, und brüllen: ›Dann spiel uns mal was vor, los!‹ – Ich kann dir sagen, Afrikaner, so ’n Konzert, wie ich da mitten auf der Straße gegeben hab, das hast du noch nie erlebt. Ich hab gespielt ›Puterhahn im Stroh‹ – du weißt, wie das weiße Pack dafür schwärmt –, und eh ich richtig warm werde, pfeifen und trampeln und klatschen sie schon alle, und erst als sie nicht mehr können, sagen sie zu mir: ›Nun mach, daß du weiterkommst, hau ab, Dillydally!‹ Das hab ich mir nicht zweimal sagen lassen. Hab mich in Straßengraben und Kuhlen geduckt, sooft ich Pferde und Wagen hörte – bis jetzt, wo es deiner war! Und da bin ich!«
Der Einspänner rollte schon auf der schmalen Abzweigung, die zum Herrenhaus führte, und bald hörten sie einzelne Zurufe und sahen die Leute des Sklavenquartiers von allen Seiten herbeilaufen, um sie
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