Wurzeln
wahrscheinlich nicht da, wo du her bist.«
»Viel wissen wir auch nicht davon«, brummte Onkel Pompey, »nur, daß es Hähne gibt, die geboren und gezüchtet werden, sich totzumachen, und daß haufenweise Geld drauf gewettet wird.«
Schwester Sarah mischte sich ein. »Der einzige, der dir mehr drüber erzählen kann, ist der alte Mingo, der da unten bei den Hühnern wohnt.«
»Das hab ich dir doch schon am ersten Tag erzählt«, rief Miss Malizy, als Kizzy Schwester Sarah mit offenem Mund anstarrte. »Du hast ihn nur noch nie gesehn.« Sie lachte. »Und vielleicht siehst du ihn überhaupt nie!«
»Ich bin seit vierzehn Jahren hier«, sagte Schwester Sarah, »und ich hab diesen Nigger nicht öfter als acht- oder zehnmal gesehn! Er ist eben lieber bei Hühnern als bei Menschen! Hm!« schnaubte sie. »Könnte mir gut vorstellen, daß seine Mutter ihn ausgebrütet hat!«
Während Kizzy in das Gelächter einstimmte, beugte sich Schwester Sarah mit vorgestreckten Armen zu Miss Malizy hin. »Laß mich das Kind jetzt mal halten.« Widerstrebend überließ Miss Malizy ihr das Baby.
»Na, jedenfalls«, sagte sie, »haben der Masser und die Missis es den Hähnen zu verdanken, daß sie in der Gegend rumkutschieren und großtun können.« Sie machte eine komische Handbewegung. »So macht der Masser immer, wenn er an der Kutsche eines reichen Masser vorbeifährt!« Mit den Fingern ahmte sie einen flatternden Schmetterling nach. »Und das ist Missis’ Taschentuch, damit winkt sie, daß sie fast aus dem Wagen fällt!«
Lautes Lachen dankte Miss Malizy für ihre Darbietung. Als sie jedoch das Baby wieder an sich nehmen wollte, fuhr Schwester Sarah sie an: »Wart mal! Ich hab ihn noch keine Minute!«
Kizzy war selig, wenn sich die beiden Frauen um ihr Kind zankten, und es machte ihr Freude, Onkel Pompey zu beobachten, der still zusah und dessen Gesicht aufleuchtete, wenn das Baby zu ihm hinguckte; dann schnitt er Grimassen oder bewegte die Finger, um die Aufmerksamkeit des Kindes zu fesseln.
Einige Monate später krabbelte George sonntags auf der Wiese herum und fing an zu weinen, weil er gestillt werden wollte. Schon schickte Kizzy sich an, ihn aufzunehmen, da sagte Miss Malizy: »Laß ihn doch ’ne Weile schreien, Kizzy. Der Junge ist jetzt groß genug, der kann was essen.« Sie zerquetschte ein paar Brocken Maisbrot mit Fleischbrühe zu Brei, hob George auf ihren breiten Schoß und löffelte ihm eine kleine Portion in den Mund. Alle strahlten, als er es hinunterschlang und schmatzend nach mehr verlangte.
Als George nun anfing, auf allen vieren die Gegend zu erkunden, wenn Kizzy auf dem Feld arbeitete, band sie ihm eine Schnur um die Mitte, um seinen Entdeckerdrang in Grenzen zu halten, doch hinderte ihn das nicht, Erde und krabbelnde Insekten in sich hineinzustopfen. Alle waren sich einig, daß etwas getan werden müsse. »Du brauchst ihn nicht mehr zu stillen und läßt ihn am besten bei mir«, sagte Malizy. »Wenn du auf dem Feld bist, kann ich ein Auge auf ihn haben.« Selbst Schwester Sarah fand, daß das ein vernünftiger Vorschlag war, und so ungern Kizzy es auch tat, sie gab George hinfort in der Küche des großen Hauses ab, bevor sie zur Arbeit ging, und holte ihn, wenn sie heimkam. Beinahe wäre sie in ihrem Entschluß wankend geworden, als George erstes verständliches Wort »Milizi« war, doch bald darauf sagte er ganz deutlich »Mammy« – und Kizzy wollte vor Freude das Herz zerspringen. Sein nächstes Wort war »Onkel Pompa«, und der alte Mann strahlte, als ob er den Sonnenschein für sich allein gepachtet hätte. Bald darauf folgte »Schwesala«.
Mit einem Jahr konnte George gehen. Mit fünfzehn Monaten tollte er sogar schon herum und zeigte unmißverständlich seine Freude darüber, daß er endlich unabhängig war und auf eigenen Beinchen stehen konnte. Er ließ sich nur noch auf den Schoß nehmen, wenn er schläfrig war oder sich nicht wohl fühlte, was selten vorkam, weil er sich bester Gesundheit erfreute. Dies verdankte er nicht zum kleinsten Teil Miss Malizy, die ihm vom Besten gab, was die Küche zu bieten hatte. Wenn Kizzy und die in das Kind vernarrten Erwachsenen sonntags miteinander schwatzten, ergötzten sie sich am Anblick des Kleinen, der ganz zufrieden spielte, wobei die sackartig herunterhängenden Windeln sehr bald erdige Farbe annahmen. Er nagte an Zweigen, fing Käfer und Libellen, jagte die Hofkatze oder die Hühner, die in panischer Angst auseinanderstoben, um sich einen neuen
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