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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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verlangt er vom Masser ein Buch, als Bibel, und der Masser holt ihm eins. Heiliger Bimbam! Der Kleine klettert auf einen Schemel, einen bestickten Schemel, den schönsten, den die Missis hat, und predigt drauflos! Hinterher, ohne daß einer ihn drum bittet, fängt er an zu singen. Da bin ich hergelaufen.« Und schon machte sie kehrt; kopfschüttelnd, lachend, von ungläubigem Stolz erfüllt, blieben Kizzy, Schwester Sarah und Onkel Pompey zurück.
    George macht Furore, das war nicht zu übersehen, nicht nur bei den Gästen, die sich gelegentlich nach ihm erkundigten, sondern sogar bei der sonst so zurückhaltenden Missis Lea, »und Gott weiß, daß sie Nigger nie gemocht hat!«, wunderte sich Miss Malizy. Missis Lea übertrug George kleine Arbeiten im Haus und rund ums Haus, und als er elf Jahre alt war, verbrachte er kaum noch die Hälfte seiner Zeit mit Kizzy und den anderen auf dem Feld.
    Nach wie vor wedelte George bei jedem Dinner mit den Pfauenfedern und hörte so, was die Weißen miteinander sprachen. Bald wußte er mehr Neuigkeiten als Miss Malizy, denn diese mußte ja dauernd zwischen Eßzimmer und Küche hin und her laufen. Waren die Gäste gegangen, erstattete George ausführlich im Sklavenquartier Bericht. Staunend hörten sie, wie ein Gast erzählt hatte, daß »an die 3000 freie Nigger in Philadelphia zusammengekommen sind. Die haben dem Präsidenten Madison gesagt, Sklaven und freie Nigger haben in allen Kriegen geholfen und wollen jetzt auch sein wie alle andern. Der Masser sagt, da kann man sehn, daß die freien Nigger aus dem Land gejagt werden müssen.«
    Ein andermal wußte George zu berichten, daß die Weißen über einen Sklavenaufstand in Westindien gesprochen hatten und dabei »vor Wut rot angelaufen sind. Geschimpft haben die auf die Matrosen, weil die erzählt haben, daß die Nigger in Westindien Häuser und Ernten verbrennen und ihre Massers in Stücke hacken und aufhängen!« Ferner schnappte er so interessante Dinge auf wie: daß die von sechs Pferden gezogene sogenannte Concord-Kutsche, die zwischen Boston und New York City verkehrte, einen Schnelligkeitsrekord aufgestellt hatte: zehn Meilen in der Stunde, Rastzeiten miteingerechnet; oder daß der Schaufelraddampfer »von Masser Robert Fulton den ´lantischen Ozean in zwölf Tagen überkreuzt hat«. Oder ein Gast hatte eine Showboat-Sensation geschildert. »Soweit ich das versteh, heißt es ›Minstrels‹, und das sind Weiße, die sich das Gesicht schwarz färben und wie Nigger singen und tanzen.«
    Ein anderes Sonntagsgespräch betraf die Indianer, und George berichtete: »Einer sagt, die Cherokesen sitzen auf achtzig Millionen Morgen Land, das die Weißen brauchen. Er sagt, nur wegen Masser David Crockett und Masser Daniel Webster sind die Indianer noch am Leben.«
    1818 hieß es, eine »Amerikanische Kolonistengesellschaft« wolle die freien Nigger »nach Liberia schicken, irgendwo in Afrika. Die Weißen haben sich kaputtgelacht, weil die freien Nigger glauben, in Liberia gibt es Bäume mit Speckscheiben statt Blättern und Molassenbäume, wo man den Saft raustrinkt. Der Masser sagt, die freien Nigger sollen lieber heut als morgen auf die Schiffe geladen werden.«
    »Hm!« rümpfte Schwester Sarah die Nase, »ich würd bestimmt nicht nach Afrika wollen, wo die Nigger zusammen mit den Affen in den Bäumen hocken …«
    »Wo hast du denn das her?« fuhr Kizzy sie an. »Mein Pappy kommt aus Afrika, und der hat bestimmt nie auf einem Baum gesessen!«
    »Aber … aber … das weiß doch jeder!« stotterte Schwester Sarah überrascht.
    »Drum ist es noch lang nicht wahr«, bemerkte Onkel Pompey und warf ihr einen strafenden Blick zu. »Du kommst sowieso auf kein Schiff, du bist nicht frei!«
    »Ich täte auch nicht fahren, wenn ich frei wär«, gab Schwester Sarah zurück, warf den Kopf in den Nacken und spuckte einen Strahl gelbbraunen Tabaksaft in den Staub. Sie ärgerte sich über Kizzy und Onkel Pompey und unterließ es bewußt, ihnen gute Nacht zu wünschen, als man sich zum Schlafen zurückzog, Kizzy ihrerseits war erbost, weil Schwester Sarah ihren klugen, unbeugsam-würdevollen Vater und seine geliebte afrikanische Heimat geschmäht hatte.
    Sie war ebenso überrascht wie erfreut, als sie entdeckte, daß auch George es mißbilligte, daß Schwester Sarah seinen afrikanischen Großvater lächerlich gemacht hatte. Er traute sich anfangs nicht, etwas dazu zu sagen, und Kizzy merkte, daß er fürchtete, respektlos zu erscheinen.

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