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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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Schließlich sagte er aber: »Sieht doch so aus, Mammy, als ob das vielleicht nicht so ganz stimmen tut, was Schwester Sarah da gesagt hat, nicht wahr?«
    »Du hast ganz recht!« stimmte Kizzy ihm nachdrücklich zu.
    George saß eine Weile still, bevor er sich weiter vorwagte. »Mammy«, sagte er zögernd, »ob du mir vielleicht noch was von ihm erzählen kannst?«
    Kizzy spürte heftige Gewissensbisse. Im vergangenen Winter war sie von Georges endlosen Fragen einmal so aufgebracht gewesen, daß sie ihm verboten hatte, ihr noch weitere Fragen über seinen Großvater zu stellen. »Ich hab schon überlegt, ob’s noch was von deinem Großpappy gibt, was ich dir nicht erzählt hab, aber ich find einfach nichts mehr.« Sie überlegte. »Du weißt schon alles auswendig, aber wenn du willst, erzähl ich dir halt das eine oder andere noch mal.«
    Wieder blieb George eine Weile still. »Mammy«, sagte er dann, »du hast gesagt, Großpappy wollte immer, daß du alles von Afrika weißt …«
    »Ja, das wollte er wohl«, gab Kizzy nachdenklich zu.
    »Weißt du, Mammy, wie du mir von Großpappy erzählt hast, erzähle ich später meinen Kindern von ihm.« Kizzy lächelte. Es war so typisch für ihren ungewöhnlichen Sohn, daß er sich mit vierzehn Jahren über seine zukünftigen Kinder den Kopf zerbrach.
    Im gleichen Maße, in dem George in der Gunst seiner Herrschaft stieg, wurden die Freiheiten zahlreicher, die er sich herausnehmen durfte. Waren der Masser und die Missis ausgefahren, durchstreifte er auf eigene Faust stundenlang die Gegend, und bei solch einem Streifzug suchte er auch den alten Mann auf, der die Kampfhähne des Masser züchtete.
    »Ich hab ihm dabei geholfen, einen großen Hahn einzufangen, der weggelaufen war, und dann haben wir so geredet, der Alte und ich. Er ist gar nicht so komisch, wie alle immer sagen. Und ich hab noch nie solche Hühner gesehn. Er hat Hähne, die sind noch nicht erwachsen, aber sie krähen und hüpfen wie verrückt im Käfig und wollen auf die andern losgehn. Ich durfte sie mit Gräsern füttern. Er sagt, er gibt sich mehr Mühe mit diesen Hühnern als die meisten Mammys mit ihren Babys!« Über diese Bemerkung ärgerte sich Kizzy ein wenig, aber sie sagte nichts, weil es sie belustigte, daß ein paar Hühner ihren Sohn so aus dem Häuschen brachten. »Er hat mir gezeigt, wie man ihnen den Rücken und den Hals und die Beine massiert, damit sie besser kämpfen.«
    »Halt dich da lieber raus, Junge!« warnte sie ihn. »Du weißt, der Masser läßt keinen an seine Hühner ran, bloß den Alten.«
    »Onkel Mingo sagt, er will den Masser bitten, daß ich ihm helfen darf die Hühner füttern!«
    Am nächsten Morgen erzählte Kizzy auf dem Feld Schwester Sarah von Georges letztem Erlebnis. Stumm und nachdenklich ging Schwester Sarah eine Weile neben ihr her. »Du willst bestimmt nicht, daß ich dir noch mal wahrsage, aber über deinen George möcht ich doch noch was sagen.« Sie unterbrach sich. »Er wird nie ein gewöhnlicher Nigger, wie man sagt. Der hat immer was Neues im Sinn, was anderes, solange er lebt.«

Kapitel 89
    »Sieht aus wie gut erzogen und ist geschickt, Masser«, sagte Onkel Mingo und beendete damit die Beschreibung eines Jungen aus dem Sklavenquartier. Er hatte vergessen, ihn nach seinem Namen zu fragen.
    Als Masser Lea sich einverstanden erklärte, es mit George zu versuchen, war Mingo sehr froh – schon seit Jahren wünschte er sich einen Helfer –, aber eigentlich nicht überrascht. Ihm war klar, daß der Masser sich wegen des zunehmenden Alters und der angegriffenen Gesundheit seines Hahnenzüchters Sorgen machte – in den letzten fünf oder sechs Monaten hatte Onkel Mingo wiederholt und immer häufiger über schmerzhafte Hustenanfälle geklagt. Er wußte auch, daß der Masser keinen tüchtigen jungen Helfer für ihn zu kaufen bekam; die hiesigen Kampfhahnenzüchter hatten natürlich keinerlei Interesse, ihm auszuhelfen. »Wenn ich einen Jungen hätte, der Geschick erkennen ließe«, hatte einer gesagt, »wäre ich ja dumm, wenn ich ihn an Euch verkaufte. Wenn der alte Mingo ihn anlernt, würde ich in fünf oder zehn Jahren zusehen müssen, wie er Euch hilft, mich zu ruinieren!« Daß der Masser sich so schnell einverstanden erklärt hatte, lag aber, wie Mingo zu wissen glaubte, vornehmlich daran, daß die Hahnenkampfsaison in Gaswell County mit dem großen Neujahrs»Haupt«-Kampf in Kürze beginnen würde. Übernahm nun der Bursche die Fütterung der jungen Hähne,

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