Wurzeln
Mingo freute, George wußte, das Ende der schönen Zeit im großen Haus war gekommen. Schluß mit den Pfauenfedern und dem Predigen vor dem Masser und seinen Gästen. Missis Lea hatte ihn zuletzt recht gern um sich gehabt. Und er dachte an die guten Dinge, die er nun nicht mehr von Miss Malizy in der Küche bekommen würde. Und wie sollte er seiner Mammy beibringen, daß er das Niggerquartier verlassen mußte?
Kizzy badete die müden Füße in heißem Wasser, als George mit ungewöhnlich ernster Miene in die Hütte trat. »Ich muß dir was sagen, Mammy.«
»Ich hab den ganzen Tag auf dem Feld gearbeitet, ich bin jetzt müde und will nichts von deinen Hühnern hören.«
»Na ja, das ist es eigentlich nicht.« Er holte tief Atem. »Der Masser hat Mingo und mir aufgetragen, eine Hütte zu bauen, und ich soll da wohnen.«
Das Wasser spritzte aus der Schüssel, als Kizzy aufsprang, wie um George an die Gurgel zu fahren. »Da wohnen? Wozu mußt du da wohnen? Warum bleibst du nicht hier?«
»Ich kann nichts dafür, Mammy! Es war der Masser!«
Er wich vor ihrem wütenden Gesicht zurück, und seine Stimme wurde schrill. »Ich will ja nicht weg von dir, Mammy!«
»Du bist zu jung, um wegzuziehn. Aber das war dieser alte Nigger, der hat dem Masser ’n Floh ins Ohr gesetzt!«
»Nein, Mammy, hat er nicht! Er will mich nicht da unten haben. Er möchte viel lieber allein bleiben.« George wollte sie beschwichtigen, koste es, was es wolle. »Der Masser glaubt, er tut mir was Gutes. Er ist nett zu Onkel Mingo und mir, nicht so grob wie zu den Feldniggern …« Zu spät fiel ihm ein, daß auch seine Mammy auf dem Feld arbeitete. Neidisch und verbittert packte sie George an den Schultern und schüttelte ihn wie einen Fetzen. »Ein Dreck bist du für den Masser«, schrie sie ihm ins Gesicht, »wenn er auch dein Pappy ist! Dem liegt an niemand und nichts außer an seinen verdammten Hühnern!«
Sie war nicht weniger bestürzt von ihren Worten als er.
»Es ist wahr! Und es ist gut, daß du’s weißt, damit du nicht glaubst, er tut dir einen Gefallen. Der Masser will bloß, daß du diesem verrückten alten Nigger hilfst, seine Hähne abzurichten, weil er glaubt, sie machen ihn reich!«
George stand sprachlos.
Mit beiden Fäusten hämmerte sie auf ihn ein. »Was willst du überhaupt noch hier?« Sie raffte seine Kleidungsstücke zusammen und warf sie ihm hin. »Hau ab! Raus aus der Hütte!«
George stand da wie erschlagen. Kizzy spürte, wie ihr die hellen Tränen aus den Augen stürzten; sie lief aus der Hütte und rannte zu Miss Malizy hinüber.
Auch ihm rollten nun Tränen über die Wangen. Nach einer Weile, und weil er nicht wußte, was er sonst tun sollte, stopfte er seine paar Sachen in einen Sack und schlug den Weg zum Hahnengrund ein. Er schlief neben einem Gehege, den Sack als Kissen unterm Kopf.
Dort fand ihn Mingo, der ein Frühaufsteher war, vor Tagesanbruch. Er konnte sich vorstellen, was geschehen war, und behandelte den Jungen an diesem Tag taktvoll und behutsam. Schweigsam und in sich gekehrt ging George seiner Arbeit nach.
Während der zweitägigen Arbeit an Georges Hütte redete Mingo mit George, als nähme er erst jetzt dessen Gegenwart zur Kenntnis. »Die Hühner müssen dein Leben sein, deine Familie«, sagte er eines Morgens ganz unvermittelt zu George, denn dies war, was er ihm einprägen zu müssen glaubte. George reagierte nicht. Er konnte an nichts anderes denken als an das, was er von der Mutter erfahren hatte. Sein Masser war sein Pappy, sein Pappy war sein Masser! So oder so, er wurde damit nicht fertig.
Als der Junge nicht antwortete, sprach Mingo weiter: »Ich weiß, die Nigger da drüben denken, ich bin ein komischer Kauz …« Er zögerte. »Kann sein, ich bin einer.« Dann schwieg auch er.
Es war George klar, daß Onkel Mingo darauf eine Antwort erwartete, doch konnte er ihm nicht gut bestätigen, daß es sich so verhielt! Darum stellte er ihm jetzt eine Frage, die ihn vom ersten Tag an beschäftigt hatte: »Wie kommt es, Onkel Mingo, daß diese Hühner anders sind?«
»Mit Hühnern meinst du die, die zu nichts taugen als zum Essen«, erwiderte Onkel Mingo verächtlich. »Aber die hier, sagt der Masser, sind wie die Vögel, die früher im Dschungel gelebt haben. Wenn du einen von diesen Hähnen im Dschungel aussetzt, kämpft er um alle Hennen und macht jeden andern Hahn hin.«
George hätte ihm noch andere Fragen stellen mögen, kam aber nicht dazu, denn wenn Onkel Mingo ins Reden
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