Wurzeln

des Masser ihre Gegner schnell töteten – manchmal in nur dreißig oder vierzig Sekunden –, ohne selbst Verletzungen davonzutragen. Nichts aber regte ihn auch nur annähernd so auf, als zuzusehen, wie ein Vogel, den er selber aufgezogen hatte, auf Tod und Leben gegen einen ebenbürtigen Gegner kämpfte – beide zerhackt und blutend umhertaumelnd, mit schlaff hängenden Schnäbeln, die Flügel nachschleppend, am ganzen Körper zitternd, bis schließlich beide zusammenbrachen. Dann aber, wenn der Schiedsrichter schon zählte, fand der Hahn des Masser gerade noch ein allerletztes Restchen Kraft, er kam noch einmal auf die Beine, gerade lange genug, um dem Gegner den tödlichen Sporn einzudrücken.
    George verstand gut Mingos Anhänglichkeit an die fünf oder sechs alten Lockhähne, die er fast wie Haustiere behandelte, besonders einen, von dem er sagte, ihm sei es zu danken, daß der Masser die größte Wette seines Lebens gewonnen hatte. »Noch nie hab ich so ’n blutigen Kampf gesehn«, sagte Onkel Mingo und deutete auf den einäugigen Veteranen. »In seiner besten Zeit war das – drei oder vier Jahre vor dir. Weiß nicht mehr, wie’s kam, aber irgendwie ist der Masser in ein Neujahrsturnier von so ’m reichen Masser drüben in Surrey County geraten. So an die zweihundert Hähne sollten um den Hauptpreis von zehntausend Dollar kämpfen, keine Wetten unter hundert Dollar. Na ja, der Masser und ich, wir nahmen zwanzig Vögel mit, die allerbesten natürlich. Tagelang sind wir mit dem Wagen gefahren, bis wir da waren. Unterwegs haben wir die Vögel in ihren Körben gefüttert, getränkt und massiert. Na, die Kämpfe gingen zu Ende, und wir hatten ’n bißchen was gewonnen, aber zu viele Hähne verloren, und der Masser war ganz schön wütend. Zum Schluß sollten wir gegen einen Vogel antreten, der war berühmt als das gerissenste und gemeinste Vieh in ganz Virginia. Und auf den haben die Leute dann auch gesetzt wie verrückt.
    Also! Der Masser hat gut in die Flasche geguckt und war rot im Gesicht wie zum Platzen. Und dann sucht er sich den alten Geier aus, den da drüben, klemmt das Vieh untern Arm und schreit ganz laut, er will keine einzige Wette zurückweisen! Er hat früher nichts gehabt, sagt er, und wenn er jetzt alles verliert, ist das nichts Neues für ihn! Na – der Federwisch da drüben geht ran wie verrückt und ist fast hin – der andere aber ganz! Der Schiedsrichter sagt hinterher, die Gockel haben sich vierzehn Minuten lang gegenseitig abgemurkst.«
    Warm und wehmütig lächelnd, betrachtete Onkel Mingo den alten Kampfhahn. »Dem hing die Haut bloß noch in Fetzen, und alle dachten, er geht ein, aber ich hab kein Auge zugetan, bis er wieder ganz war!«
    Nach kurzem Schweigen sagte er eindringlich: »Vergiß nicht: immer schön auf die verletzten Hähnchen aufpassen, ich sag’s dir noch mal und noch mal. Besonders so ’ne, die die andern Gockel schnell hinmachen, die laut krähen und so tun, als wollen sie gleich weiterkämpfen, also die täuschen einen leicht! Wenn du die auf dem Wagen hast, tu sie genau untersuchen! Auch ganz kleine Schnitte tun sich leicht entzünden. Immer gleich draufpinkeln, aber richtig! Wenn er wo blutet, leg ’n Spinnwebe drauf oder Bauchfell vom Hasen. Wenn du’s nicht tust, zwei, drei Tage später sieht dein Vogel aus, als ob er einschrumpft wie ’n schlapper Fetzen, und eh du bis drei zählst, ist er hin. Kampfhähne sind wie Rennpferde, heißt es. Sie sind stark, aber auch verflixt heikle Biester.«
    Es schien George, als hätte Onkel Mingo ihn tausend Dinge gelehrt, doch der Alte hatte noch tausend mehr in seinem Kopf. Sosehr George sich auch bemühte, er konnte nicht dahinterkommen, wie Onkel Mingo und der Masser vorher wußten, welche Vögel sich im Ring als die intelligentesten, tapfersten und stolzesten erweisen würden. Es waren nicht nur die sichtbaren Vorzüge, die auch George jetzt schon erkennen gelernt hatte: kurzer, breiter Rücken, muskulöse Brust, die in einen festen kleinen Bauch überging, gerundete Flügel, glänzende Federn mit starkem Kiel, kurze, muskulöse Beine, nicht zu dicht beieinander, starke Sporen über kräftigen Füßen mit gut ausgebildeten Hinterkrallen.
    Onkel Mingo rügte, daß George so an seinen Vögeln hing, daß er darüber ihre Dschungelinstinkte vergaß. Es kam vor, daß ein Kampfhahn, der auf Georges Schoß saß und sich geduldig streicheln ließ, einen von Onkel Mingos alten Lockhähnen gewahrte, sich wütend krähend