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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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Georges Griff entwand und dem alten Vogel nachsetzte. George konnte dann nur mit Mühe verhindern, daß einer den anderen tötete. Auch fiel es ihm schwer, seine Gefühle zu beherrschen, wenn einer ihrer Vögel auf dem Kampfplatz unterlag; der große starke Bursche brach mehr als einmal in Tränen aus. »Keiner kann immer bloß gewinnen! Wie oft muß ich dir das noch sagen!« tadelte ihn Mingo mehrmals.
    Mingo wußte übrigens seit Monaten, daß George nach Einbruch der Dunkelheit verschwand und erst sehr spät, in letzter Zeit erst im Morgengrauen, wiederkam. Er ahnte auch, was da vorging. George hatte einmal verdächtig achtlos erwähnt, daß er ein hübsches und fast hellhäutiges Hausmädchen namens Charity von der angrenzenden Farm kennengelernt hatte, als er mit Masser Lea in der Kornmühle gewesen war. »Ich seh und höre wie ’ne Katze und weiß schon seit der ersten Nacht, daß du abgehauen bist«, eröffnete er seinem staunenden Lehrjungen. »Ich stecke meine Nase nicht in andrer Leute Angelegenheiten, aber eins will ich dir sagen: du mußt höllisch aufpassen, daß dich nicht ’ne weiße Patrouille erwischt. Die prügeln dich erst halbtot, und dann bringen sie dich zurück; glaub nur nicht, der Masser würde dir nicht die Peitsche über den Arsch ziehn!« Onkel Mingo starrte eine Weile schweigend vor sich hin, bevor er fortfuhr: »Hast du gemerkt, ich hab nicht gesagt, du sollst nicht gehn?«
    »Jasörr«, antwortete George kleinlaut.
    Wieder schwieg Mingo eine Weile. Dann setzte er sich auf seinen Lieblingsplatz, einen Baumstamm, beugte sich ein wenig vor und schlang die Arme um die Knie. »Junge, Junge! Ich weiß noch, wie ich das erstemal mit einem Mädchen …« Seine Augen glänzten, und seine Runzeln schienen verschwunden, »’ne Große, Schlanke war das, ganz neu hier in der Gegend. Ihr Masser hat Land neben unserem Masser gekauft.« Mingo unterbrach sich und lächelte. »Ich tät sie dir gern beschreiben … manche Nigger nannten sie ›schwarze Schlange‹ …« Onkel Mingo erzählte weiter, und je tiefer er in seiner Erinnerung schürfte, desto breiter wurde sein Lächeln. Er erinnerte sich recht gründlich, brachte George aber nicht in Verlegenheit, denn der war viel zu betroffen darüber, daß der Alte ihm auf die Schliche gekommen war. Eines wurde ihm dabei jedenfalls klar: Er hatte den Alten in mehr als einer Hinsicht unterschätzt.

Kapitel 91
    Auf dem Weg zum Sklavenquartier spürte George eines Sonntags, daß etwas nicht stimmte, denn weder seine Mammy noch sonstwer erwartete ihn, und das war in den vier Jahren, die er nun mit Onkel Mingo zusammen lebte, noch nie vorgekommen. Als er an die Tür von Kizzys Hütte klopfen wollte, zerrte die Mutter ihn blitzschnell in die Hütte und machte die Tür ganz ängstlich schnell wieder zu.
    »Hat die Missis dich gesehn?«
    »Ich weiß nicht, Mammy! Was ist los?«
    »Ach Junge! In Charleston in Süd-Carolina wollte Denmark Vesey, was so ’n freier Nigger ist, mit lauter andern Niggern heute nacht wer weiß wie viele Weiße umbringen. Sie sind grade noch erwischt worden. Der Masser ist wie ein Wilder losgeritten und hat mit dem Gewehr gefuchtelt. Wen die Missis im Freien sieht, eh er nicht von der großen Versammlung zurück ist, den schießt er tot!«
    Kizzy spähte durch das einzige Fenster zum großen Haus hinüber. »Sie ist nicht mehr da, wo sie rausgeguckt hat! Vielleicht hat sie dich gesehn und hat sich versteckt!« Der absurde Gedanke, daß Mrs. Lea sich vor ihm verstecken könnte, übertrug etwas von Kizzys Alarmstimmung auf ihren Sohn. »Lauf zu den Hühnern zurück, Junge! Nicht auszudenken, was der Masser macht, wenn er dich hier erwischt!«
    »Ich bleib hier und red mit dem Masser, Mammy!« In einem Fall wie diesem erinnerte sich der Masser womöglich daran, daß George sein Sohn war, und zügelte vielleicht seine Wut.
    »Bist du vollkommen verrückt? Raus mit dir!« Kizzy schob ihn zur Tür. »Los! Weg! Uns geht’s schlimm, wenn er dich hier findet! Schleich durch die Büsche hin­term Abtritt, bis die Missis dich nicht mehr sehn kann!«
    Kizzy schien einem hysterischen Anfall nahe. Der Masser mußte ja fürchterlich getobt haben, um sie so in Schrecken zu versetzen. »Also gut, Mammy«, sagte er schließlich. »Aber ich schleich mich nicht durch die Büsche. Ich hab keinem nichts getan. Ich geh zurück, wie ich gekommen bin.«
    »Gut, gut, aber geh schon!«
    Im Hahnengrund war George mit seinem Bericht gerade zu Ende, als er und

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