Wurzeln
kein Recht, unsre Freiheit aufs Spiel zu setzen!« Wie konnte sie nur so schnell vergessen, daß er es war, der zuallererst die Idee gehabt hatte, Geld zu sparen, um sie freizukaufen? Und nun hatte der Masser ihm nach all den langen Jahren des Sparens glücklicherweise anvertraut, daß er mehr Bargeld brauchte, um bei den Wetten der nächsten Kämpfe mithalten zu können, denn natürlich wollte er nicht nur diesen versnobten reichen Massers zeigen, wer er war, sondern wollte auch ihr Geld gewinnen. Hühner-George schmunzelte vor sich hin und dachte mit Genugtuung an den überraschten Gesichtsausdruck des Masser, als er ihm gesagt hatte: »Ich hab ungefähr zweitausend Dollar auf der hohen Kante, die könnt Ihr zum Wetten nehmen, Masser.« Der Masser hatte einen Moment gebraucht, sich von seinem Schock zu erholen, dann die Hand seines Hegers ergriffen und ihm feierlich versprochen, daß er jeden Cent der mit seinem Geld gewonnenen Wetten zurückbekäme, und versichert: »Jedenfalls solltest du’s mindestens verdoppeln!« Dann hatte der Masser gezögert und gesagt: »Aber, Junge, was willst du nur mit viertausend Dollar anfangen?«
In diesem Augenblick hatte sich Hühner-George zu einem noch riskanteren Spiel entschlossen – er hatte seinem Masser erzählt, warum er seit so langer Zeit so viel gespart hatte. »Masser, bitte versteht mich recht. Ich hab nur die allerbesten Gefühle für Euch, Masser. Aber ich und Tilda, wir haben mal so geredet, und da haben wir beschlossen, daß wir uns vielleicht eines Tages mit unseren Kindern freikaufen wollen und den Rest unsres Lebens in Freiheit verbringen!« Als er dann aber sah, wie entsetzt Masser Lea ihn bei diesen Worten anstarrte, flehte er ihn noch einmal an: »Um Gottes willen, denkt bloß nichts Falsches von uns, Masser–«
Doch Masser Lea hatte gesagt – und das war eines der beglückendsten Erlebnisse in Hühner-Georges Leben gewesen –: »Jetzt will ich dir mal sagen, Junge, was ich im Sinn hatte, als ich mich auf diesen großen Hahnenkampf eingelassen hab, zu dem wir jetzt hinfahren. Ich denke, es könnte vielleicht mein letzter sein. Weißt du eigentlich, daß ich schon achtundsiebzig Jahre bin? Über fünfzig Jahre bin ich jetzt während der Saison herumgereist mit meinen Hähnen, die ich gezüchtet hab und die für mich gekämpft haben. Jetzt reicht’s. Verstehst du? Ich werd dir mal was sagen, Junge! Mit dem, was ich aus der Hauptwette und all den Nebenwetten gewinnen werde, kann ich mir und meiner Frau ein neues Haus bauen – kein so großes, wie ich mir früher immer gewünscht hab, sondern nur fünf, sechs Zimmer – aber neue –, mehr brauchen wir nicht. Daran hatt ich gar nicht mehr gedacht, bis du das Thema jetzt angeschnitten hast, und nun kann ich dir ja auch sagen, daß wir dann für all die Nigger gar keine Verwendung mehr haben. Nur Sarah und Malizy können weiter für uns kochen und uns einen Gemüsegarten halten, in dem wächst, was wir brauchen; außerdem haben wir dann genügend Geld auf der Bank und müssen niemanden mehr um was bitten –«
Hühner-George hielt den Atem an, als Masser Lea fortfuhr. »Und ich will dir noch was sagen, Junge! Ihr habt mir treu gedient und mir keinen Ärger gemacht. Diesen Hahnenkampf werden wir gewinnen und unser Geld mindestens verdoppeln – jawohl–, dann brauchst du mir nur das zu geben, was du hast, nämlich viertausend Dollar, und wir sind quitt! Du weißt so gut wie ich, daß ihr Nigger mindestens zweimal soviel wert seid! Ich hab’s dir ja zwar nie gesagt, aber einmal hat mir dieser reiche Jewett tatsächlich viertausend Dollar für dich geboten, aber ich hab’s abgelehnt! Jawohl, und jetzt könnt ihr euch alle freikaufen, wenn ihr unbedingt wollt!«
Hühner-George brach in Tränen aus, sprang auf Masser Lea zu und wollte ihn umarmen, doch der war verlegen zur Seite getreten. »Oh, Jesses, Gott, Masser, Ihr ahnt ja nicht, was Ihr da sagt! Frei sein! Das haben wir uns ja so gewünscht!« Die Antwort des Masser klang eigenartig schroff. »Na, ich weiß zwar nicht, was ihr Nigger mit eurer Freiheit anfangen wollt, wenn ihr dann niemanden mehr habt, der sich um euch kümmert. Und meine Frau, die wird mir schön die Hölle heiß machen, wenn sie hört, daß ich euch für so gut wie nichts einfach laufenlasse. Teufel noch mal, schon allein Tom, der Schmiedejunge, ist gut und gern seine zweitausendfünfhundert wert, und außerdem bringt er mir noch ’ne Menge ein!«
Der Masser war wirklich sehr
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