Wurzeln
schroff zu Hühner-George, denn nun fuhr er fort: »So, los jetzt, Nigger, und paß bloß auf, daß ich’s mir nicht noch anders überlege! Teufel auch, ich muß ja gradezu verrückt sein! Na, immerhin hoff ich, daß deine Frau und deine Mammy und all die andern Nigger endlich merken, daß ich nicht so schlecht bin, wie sie glauben – und ich weiß, für wie schlecht die mich halten!«
»Oh, nein, Sörr, nein wirklich nicht! Vielen Dank, Masser, danke!«
Jetzt wünschte Hühner-George sehnlicher denn je, er hätte nie die häßliche Auseinandersetzung mit Matilda gehabt. Er entschloß sich, seinen Triumph vorerst für sich zu behalten und Matilda, Mammy Kizzy und die gesamte Familie eines Tages damit völlig zu überraschen. Er mußte sich allerdings sehr beherrschen, nicht plötzlich damit herauszuplatzen, und mehrere Male hätte er es beinahe Tom erzählt, aber wenn Tom auch schon erwachsen war, so hing er doch so sehr an seiner Mammy und Großmutter, daß er’s ihnen bestimmt weitererzählen würde, und dann wäre es keine Überraschung mehr. Außerdem würde dann unter ihnen sogleich das leidige Problem auftauchen, daß nach den Worten des Masser Schwester Sarah, Miss Malizy und Onkel Pompey zurückbleiben mußten, obgleich sie ebenso zur Familie gehörten wie nur irgendwer.
So hatte Hühner-George die Wochen vor dem großen Ereignis ganz allein mit seinem Geheimnis verbracht und sich mit Leib und Seele dem Endtraining der acht besten, zuletzt ausgewählten Hähne gewidmet, die jetzt still in ihren Käfigen hinter ihm und Masser Lea in dem großen neuen Wagen saßen, während sie so durch die Dunkelheit dahinrollten. Bisweilen fragte sich Hühner-George, an was der so ungewöhnlich schweigsame Masser jetzt wohl denken mochte.
Im Morgengrauen erblickten sie schon von fern die große bunte Menschenmenge, die in aller Frühe den Bezirk um die Hahnenkampfarena und sogar auch die umliegenden Wiesen besetzt hatte. Von überallher strömten Leiterwagen, Planwagen, Kutschen, Equipagen, Einspänner, Karren, gezogen von Pferden und Mauleseln.
»To-hom Lea!« rief eine Gruppe armer Weißer dem Masser zu, als er von seinem großen Wagen stieg. »Zeig’s ihnen, Tom!« Hühner-George setzte sich seinen schwarzen Hut auf. Der Masser nickte den Männern zu, ging jedoch an ihnen vorbei. George wußte, daß der Masser stets zwischen Scham und Stolz schwankte, weil er bei den armen Weißen so bekannt war. Aber schließlich war er seit einem halben Jahrhundert im Hahnenkampfgeschäft, und im Laufe der Zeit war er bei all den Turnieren in der Gegend zu einer legendären Figur geworden. Auch heute noch mit seinen achtundsiebzig Jahren dirigierte er die Tiere in den Kämpfen mit unverminderter Geschicklichkeit.
Hühner-George hatte noch nie soviel Kampfhahngekrähe auf einmal gehört wie jetzt, als er das Zubehör vom Wagen lud. Ein vorbeikommender Sklave, ebenfalls ein Heger, hatte ihm erzählt, daß viele der hier Anwesenden bis zu vier Tagen gereist waren, um aus so fernen Staaten wie Florida hierherzugelangen. Hühner-George schaute sich um und stellte fest, daß man die üblichen Zuschauertribünen mehr als verdoppelt hatte. Unter all den Menschen, die sich am Wagen entlangschoben, unter all den weißen und schwarzen Fremden entdeckte er auch etliche vertraute Gesichter, und er war sehr stolz, als er sah, daß viele Menschen beider Rassen ihn erkannten, ihm zunickten und ihren Freunden etwas zuflüsterten. Die immer stärker anschwellende Menschenmenge geriet in Erregung, als drei Schiedsrichter am Kampfplatz erschienen und die Startlinien auszumessen und zu markieren begannen. Dann entstand plötzlich hitziges Getümmel: irgendein Kampfhahn hatte sich freigeflattert, ging wütend auf einige Zuschauer los und jagte einen großen Hund in die Flucht. Bei jeder neuen Ankunft, besonders, wenn ersichtlich wurde, welcher der acht berühmten Hahnenkampfzüchter der Gegend, die sich mit den Massers Jewett und Russell messen sollten, es war, erhob sich eifriges Getuschel und Gerede.
»Hab noch nie ’n Engländer gesehn. Du?« fragte ein armer Weißer einen anderen in Hühner-Georges Nähe. Der. andere hatte auch noch keinen gesehen. George hörte auch vieles über den Reichtum des adligen Engländers raunen, der nicht nur einen riesigen Landbesitz in England, sondern auch wertvolle Ländereien in Ländern namens Schottland, Irland und Jamaika haben sollte. Es kam ihm auch zu Ohren, daß Masser Jewett sich stolz vor Freunden
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