Wurzeln
fallenließ.
»Mr. Murray hat mir erlaubt, für ’n paar Tage zu verreisen, um eine wichtige Angelegenheit zu erledigen. Ich werd zurück sein, so rasch wie möglich.«
Am nächsten Morgen war er verschwunden.
»Na, was soll das wieder bedeuten?«
»Wie der immer geredet hat, gab’s da weiß Gott nichts mehr zu erledigen, wo er hergekommen ist.«
»Vielleicht hat’s was zu tun mit seinen Leuten –«
»Seine Leute hat er doch nie erwähnt, höchstens flüchtig nebenbei.«
»Ob er am Ende Soldat geworden ist?«
»Na, was du redest! Old George ist so harmlos. Kannst du dir den vorstellen mit ’ner Knarre in der Hand?«
»Oder er hat sich seinen Bauch genug vollgeschlagen. Und bautz, siehst du keinen Fatz mehr von ihm.«
»Ach, du spinnst, Ashford. Du redest immer schlecht von ihm, wie von allen Leuten.«
Beinahe ein ganzer Monat war vergangen, als sich eines Sonntags großes Geschrei und Hallo erhob. Tatsächlich – Old George war wieder im Lande, er grinste verlegen, denn bei ihm befand sich ein wahrhaft total verschüchtertes junges Ding, genauso schmal und verhungert wie er selbst, und mit dem Acht-Monats-Bauch sah es aus, als habe es einen Kürbis verschluckt.
»Das ist meine Frau«, erklärte Old George, »Miss Martha heißt sie. Wir haben geheiratet, kurz bevor ich abhauen mußte. Ich hatte ihr versprochen, ich komm zurück, wenn ich irgendwas für uns gefunden hab. Und – warum ich hier nichts von ihr erzählt hab – na klar, war schon schwer genug, jemanden zu finden, der mich allein aufnehmen wollte.«
Er stupste Martha aufmunternd an.
»Warum sagst du nicht guten Tag zu den Leuten?«
Martha nickte allen grüßend zu, wie befohlen, ja, sie brachte sogar einen für ihre Verhältnisse langen Satz zuwege: »George hat mir soviel erzählt, von euch allen.«
»Na, hoffentlich nur Gutes«, sagte Matilda mit glänzenden Augen. Old George bemerkte diesen Glanz dann noch einmal, als Matildas Blick Marthas unübersehbare Wölbung streifte.
»Ich konnt natürlich unmöglich ahnen, wie ich abgehauen bin, daß da was Kleines unterwegs ist. Aber ich hatte das Gefühl, ich muß unbedingt mal nach ihr schauen. Und siehe da – wir sind schon ’ne Familie!«
Dieses zerbrechliche Wesen schien so gut zu Old George Johnson zu passen, daß alle Sympathie für dieses Paar empfanden.
»Du meinst doch nicht, daß du nicht mal Masser Murray Bescheid gesagt hast?« fragte Irene.
»Wo werd ich? Hab ihm gesagt, ich muß was erledigen, wie euch allen. Wenn er uns jetzt rausschmeißt – müssen wir eben gehen. Das ist das Problem.«
»Das wird er nie übers Herz bringen, dafür kenn ich den Masser aber viel zu gut«, sagte Irene. Und Matilda bekräftigte: »Er doch nicht. So einer ist der Masser ganz bestimmt nicht.«
»Gut, dann bestell ihm, daß ich bei der ersten Gelegenheit bei ihm reinschaue«, sagte Old George zu Matilda.
Um ja nichts dem Zufall zu überlassen, informierte Matilda zunächst Missis Murray, wobei sie die Angelegenheit kräftig übertrieb.
»Missy, klar, er ist Aufseher oder so was, aber er mit diesem armen kleinen Ding, und wie die zu Tod verschreckt sind, daß der Masser sie beide rausschmeißen könnte, bloß weil er nun nicht damit rausgerückt ist, daß er ’ne Frau hat. Und wo die Zeiten so schrecklich sind und so. Und sie ist bald dran!«
»Hm, natürlich kann ich der Entscheidung von meinem Mann nicht vorgreifen, aber ich bin sicher, daß er sie nicht raussetzen wird –«
»Ja, Ma’m, hab ich’s doch gewußt. Sie bringen’s nicht fertig, vor allem, wo sie keine dreizehn ist oder vierzehn, schätz ich, Missis, und wo sie so aussieht, als kriegt sie das Baby jede Minute – und dann nicht wissen, wohin. Meine Güte –«
Missis Murray antwortete: »Also wie gesagt, das ist nicht meine Angelegenheit. Mister Murray muß entscheiden. Aber ich bin sicher, daß sie bleiben dürfen.«
Matilda eilte zurück zum Sklavenquartier und bedeutete einem dankbaren Old George, sich nicht zu beunruhigen. Missis Murray habe ausdrücklich erklärt, das alles sei kein Problem.
Danach stürmte sie in Irenes Hütte; und nach einer kurzen Besprechung begaben sich beide zusammen zu dem kleinen Schuppen hinter der Scheune, wo Old George wohnte. Irene klopfte an die Tür, und als Old George öffnete, sagte sie: »Wir machen uns Sorgen um deine Frau. Sag ihr, wir übernehmen alles, Kochen, Waschen. Denn sie muß jetzt erst mal ihre Kräfte zusammennehmen für das Baby, ja?«
»Sie schläft gerade.
Weitere Kostenlose Bücher