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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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Aber sie wird sich freuen«, sagte er, »weil – seit wir hier sind, muß sie sich dauernd übergeben.«
    »Kein Wunder. Sie sieht ja aus, als hätte sie nicht mehr Mumm als ein Vögelchen«, sagte Irene.
    Und Matilda setzte streng hinzu: »Na, du hast vielleicht Nerven, sie in diesem Zustand so ’n langen Weg herzuschleifen.«
    »Hab ich ihr alles gesagt, als ich zu ihr kam. Aber sie wollte es nun mal so und nicht anders.«
    »Wenn da bloß nichts passiert. Du hast schließlich keine blasse Ahnung vom Kinderkriegen«, rief Matilda.
    »Ich kann’s ja auch kaum glauben, daß ich Vater werde«, sagte er.
    »Na, das wirst du jetzt todsicher«, Irene hätte beinahe gelacht über Old Georges ängstliches Gesicht. Damit drehten sich die Frauen um und gingen zurück zu ihren Hütten.
    Untereinander äußerten Irene und Matilda große Besorgnis.
    »Sieht aber gar nicht gut aus, dies arme Ding.«
    Matilda flüsterte: »Unter uns gesagt – die ist doch bloß Haut und Knochen. Wenn es nur nicht zu spät ist, sie noch ’n bißchen hochzupäppeln.«
    »Ich hab das dunkle Gefühl, daß sie es verdammt schwer haben wird«, sagte Irene mit einer gewissen Vorahnung. »Mein Gott, wer hätte gedacht, daß es noch mal so weit kommt – daß wir uns um ein paar arme Weiße soviel Gedanken machen – weil wir sie mögen.«
    Kaum zwei Wochen waren verstrichen, als eines Mittags Marthas Wehen anfingen. Die ganze Sklavensiedlung konnte ihren schrecklichen Kampf im Schuppen mit anhören, während Matilda und Irene sich um sie bemühten – die ganze Nacht hindurch bis fast zum nächsten Mittag. Als schließlich Irene vor der Tür erschien, deutete ihre ernste Miene dem völlig verzagten Old George Johnson schon an, was sie erst einen Augenblick später aussprechen konnte: »Ich glaub, Miss Martha kriegen wir durch. Dein Baby war ein Mädchen – aber es ist tot.«

Kapitel 113
    Am späten Nachmittag des Neujahrstages 1863 kam Matilda zum Sklavenquartier gesaust.
    »Ihr habt alle den weißen Mann gesehn, der gerade angeritten ist? Er ist im Haus drin beim Masser, und er flucht rum, weil – ihr werdet’s nicht für möglich halten – es ist grade durch den Eisenbahntelegraph gekommen – Präsident Lincoln hat die Emanzipations-Erklärung unterschrieben. Wir sind frei!« Die elektrisierende Neuigkeit vereinte die schwarzen Murrays mit Millionen in gleicher Lage, die in der Abgeschiedenheit ihrer Hütten zu jubeln begannen. Und doch – mit jeder Woche, die verstrich, schwand die fröhliche Erwartung, nun bald frei zu sein, wieder dahin, sie verringerte sich und schlug schließlich in schiere Verzweiflung um, je mehr es zur Gewißheit wurde, daß die ausgeblutete und angeschlagene Konföderation gerade durch diese Order des Präsidenten zu noch härterem Widerstand gegen Lincoln angestachelt wurde.
    Die Niedergeschlagenheit unter Murrays Sklaven war so groß, daß sie allesamt nun jede Hoffnung auf eine Befreiung von ihrem Los aufgaben – trotz Toms gelegentlicher Berichte von größeren Erfolgen der Yankees auf dem Schlachtfeld, darunter sogar der Eroberung von Atlanta. Das änderte sich erst zum Jahresende 1864, als Tom, so aufgeregt wie kaum je zuvor, erzählen konnte, was er soeben von der weißen Kundschaft erfahren hatte.
    Unter dem Kommando des General Sherman waren Tausende von mordlustigen Yankees plündernd und brandstiftend nach Georgia eingefallen und verwüsteten das ganze Land. Obgleich die Erwartungen der Familie schon oft zerstört worden waren, konnten sie jetzt kaum noch die wiederaufflackernde Hoffnung auf Befreiung unterdrücken, vor allem, als Tom weitere Neuigkeiten brachte.
    »Sieht so aus, als ob die Yankees keinen Stein auf dem andern lassen. Die Weißen behaupten, sie verbrennen die Felder, die Herrenhäuser, die Scheunen. Sie schlachten die Maultiere ab, die Rinder und überhaupt alles, was eßbar ist. Was sie nicht verbrennen oder aufessen, hauen sie zusammen – und sie klauen einfach alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Und sie sagen, daß es in allen Wäldern und auf den Straßen von Niggern wimmelt, die ihre Massers und Pflanzungen verlassen haben, um den Yankees zu folgen, und daß General Sherman persönlich sie angefleht hat, dorthin zurückzukehren, von wo sie gekommen sind.«
    Kurz nachdem die Yankees auf ihrem triumphalen Marsch das Meer erreicht hatten, berichtete Tom atemlos: »Charleston ist gefallen!« Dann: »General Grand hat Richmond erobert.« Und schließlich im April 1865: »General

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