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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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Lee hat sich mit der ganzen Armee der Konföderierten ergeben. Der Süden ist erledigt!« Der Jubel im Sklavenquartier war grenzenlos. Die Schwarzen strömten in die Gärten vor dem Herrenhaus und vereinigten sich auf dem Zufahrtsweg zur großen Straße mit Hunderten anderer, die von überallher gekommen waren. Sie balgten sich vor Freude, sprangen herum und tanzten, sie schrien, brüllten, sangen, sie beteten, und sie riefen Gott an: »Frei, endlich frei, Herr!« Und: »Dank Gott, dem Allmächtigen, endlich frei!«
    Doch schon nach wenigen Tagen schlug die Freude und Lust am Feiern um in tiefste und traurigste Ergriffenheit, als sich der Mord an Präsident Lincoln wie ein Lauffeuer herumsprach. »Unnnnglück«, kreischte Matilda, als die Familie um sie herum laut aufweinte – wie Millionen anderer gleich ihnen, die den getöteten Präsidenten wie ihren Gott verehrt hatten. Später, im Mai, so wie es nun überall im geschlagenen Süden geschah, versammelte Masser Murray seine Sklaven im Vorgarten des Herrenhauses. Als sie allesamt in einer Reihe dastanden, fiel es ihnen nicht gerade leicht, ihrem ehemaligen Herrn ins Gesicht zu schauen, in das zerstörte Antlitz vom Masser, auf die Tränen von Missis Murray, nicht zu vergessen die jungen Johnsons, die ja auch weiß waren. Beklommen las Masser Murray langsam von einem Papier die Erklärung ab, daß der Süden den Krieg verloren habe. Er würgte und stockte angesichts der schwarzen Familie, die da auf seinem Grund und Boden vor ihm stand.
    »Das kann ja nur bedeuten, daß ihr alle jetzt frei seid – wie wir. Folglich könnt ihr gehen, wenn ihr wollt – ihr könnt bleiben, wenn euch der Sinn danach steht. Und wer auch immer bleibt – wir werden versuchen, euch angemessenen Lohn zu zahlen –«
    Die schwarzen Murrays fingen abermals an zu jubeln, zu singen, herumzutanzen, zu beten; »Wir sind frei!« … »Endlich frei!« … »Jesus sei Dank!«
    Die wilden Klänge dieser Begeisterung drangen bis zu der kleinen Hütte, in der Lilly Sues Sohn Uriah, jetzt acht Jahre alt, seit Wochen fieberkrank darniederlag.
    »Freiheit! Freiheit!«
    Uriah hörte das und sprang mit heißem Kopf von seinem Lager hoch. Mit wehendem Nachthemd rannte er zum Schweinekoben, wo die Tiere ihn grunzend begrüßten.
    »Ihr Schweinchen – hört auf zu schnurcheln – ihr seid frei!« Er stürzte zur Tenne: »Alle Kühe – ihr braucht keine Milch mehr zu geben – ihr seid frei!«
    Dann jagte der Junge zu den Hühnerställen: »Ihr Hennen – mit dem Eierlegen ist’s vorbei. Eins, zwei, drei – ihr seid frei – und ich bin frei!«
    Noch in der gleichen Nacht, nachdem alles Feiern mit totaler Erschöpfung geendet hatte, versammelte Tom Murray seine große Familie in der Scheune, um mit ihr zu beraten, was sie nun tun sollten, nachdem die lang ersehnte Freiheit Wirklichkeit geworden war.
    »Freiheit allein macht nicht satt. Sie erlaubt uns nur die selbständige Entscheidung darüber, was wir tun können, um satt zu werden«, sagte Tom. »Wir haben kaum Geld. Und abgesehen davon, daß ich das Schmiedehandwerk verstehe und Mammy das Kochen, ist die einzige Arbeit, die wir kennen, die auf dem Feld«, erläuterte er ihr Dilemma.
    Matilda berichtete davon, daß Masser Murray angeboten habe, die Pflanzung in kleine Äcker aufzuteilen. Er würde mit jedem ernsthaft Interessierten den Ernteertrag teilen. Darüber entspann sich eine heiße Debatte. Einige von den Älteren der Familie wollten die Pflanzung so schnell wie möglich verlassen. Matilda protestierte.
    »Ich wünsche, daß die Familie zusammenbleibt. Denn wenn wir weggehen würden – nehmen wir’s mal an, so wie ihr davon redet – und euer aller Vater Hühner-George kehrt zurück, ja, dann kann ihm niemand sagen, wohin wir abgehauen sind, ja?«
    Alle wurden ruhig, als sich Tom zu Wort meldete.
    »Ich will euch mal sagen, warum wir hier noch nicht fortgehen können – weil wir überhaupt noch nicht soweit sind. Sollten wir das eines Tages sein – dann bin ich der erste, der diese Farm hier verlassen wird.«
    Schließlich waren die meisten davon überzeugt, daß Tom recht hatte, und so wurde das Familientreffen abgebrochen. Tom nahm Irene bei der Hand und wanderte mit ihr im Mondschein über die Felder. Er schwang sich über einen Zaun, machte lange Schritte, dann eine rechteckige Wendung, ging ein Viereck ab und kam zurück. »Irene, das ist unser Land«, sagte er.
    Sie wiederholte seine Worte, wie ein Echo, ganz leise: »Unser

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