Wurzeln
Land?«
Schon nach einer Woche bearbeitete die Familie in getrennten Gruppen ihre eigenen Äcker. Eines Morgens, als Tom die Schmiede verlassen hatte, um seinen Brüdern zu helfen, erkannte er einen einzelnen Reiter auf der Landstraße als den früheren Kavallerie-Major Cates. Seine Uniform war zerlumpt, das Pferd lahmte leicht. Cates brachte das Tier am Zaun zum Stehen.
»He, Nigger, gib mir eine Kelle voll Wasser«, befahl er. Tom blickte zur Wasserpumpe, dann sah er lange und nachdenklich prüfend Cates’ Gesicht an, bevor er den Schwengel der Pumpe bewegte. Er füllte den Schöpfer und ging hinüber, um ihn Cates zu reichen.
»Die Zeiten haben sich geändert, Mr. Cates«, sagte Tom ruhig, »der einzige Grund, warum ich Euch Wasser reiche, ist, ich würd jedem durstigen Menschen zu trinken geben – nicht, weil Ihr es befohlen habt. Ich will bloß, daß Ihr das wißt.«
Cates reichte den Schöpfer zurück: »Mehr, Nigger!«
Tom nahm die Kelle, legte sie zurück auf die Pumpe und ging weg, ohne sich noch einmal umzudrehn.
Dann aber kam ein anderer Mann herangaloppiert, und er rief schon von weitem auf der Straße sein lautes Hallo. Auf dem Kopf trug er einen verbeulten schwarzen Hut, darunter einen verblichenen grünen Schal – und jetzt setzten sich alle auf den Feldern in Bewegung, ja, sie rannten, so schnell sie konnten, zurück zu dem früheren Sklavenquartier.
»Mammy, er ist zurück! Er ist wieder da!«
Als der Reiter den Vorgarten erreicht hatte, zogen Hühner-Georges Söhne ihn vom Pferd, hievten ihn auf ihre eigenen Schultern und trugen ihn im Triumphzug zu der aufschluchzenden Matilda.
»Was flennst du rum, Frau?« fragte er, scheinbar ärgerlich, aber er umarmte sie so stürmisch, als wolle er sie nie wieder loslassen. Doch schließlich gab er sie frei, befahl seiner Familie, sich zu versammeln und vor allem den Mund zu halten, denn nun redete er, Hühner-George.
»Später erzähl ich euch im einzelnen, wo ich alles war und was ich erlebt hab, seitdem wir das letztemal zusammen waren, aber erst mal möchte ich euch wieder kennenlernen, wo wir endlich mal alle beisammen sind.«
Als es mucksmäuschenstill war, begann Hühner-George mit seinem angeborenen Sinn für das Dramatische. Also: er hatte für sie alle im westlichen Tennessee eine Siedlung gefunden, deren weiße Einwohner sie bereits dringend erwarteten, um mit ihnen zusammen eine richtige Stadt zu erbauen.
»Ich will euch mal was sagen. Das Land dort, wo wir hingehn werden, ist so schwarz und so reich! Du steckst ein Ferkelschwänzchen rein – und eine Riesensau wächst dir heraus. – Du kannst nachts kaum schlafen, weil die Melonen dort so schnell reif werden, die platzen dir auf mit einem ›bäng‹ wie Feuerwerk. Ganz zu schweigen von den Beutelratten dort – faul liegen die unter den Pflaumenbäumen, zu fett, um sich bewegen zu können, weil ihnen der Fruchtsaft direkt ins Maul reintropft, und der ist dick wie Melasse …«
Er kam nur mit Mühe mit seinem Bericht zu Ende, so sehr hatte er die Familie in wilde Begeisterung versetzt. Als einige sich aufmachten, um anderen Schwarzen auf den umliegenden Pflanzungen von diesen tollen Dingen zu erzählen, begann Tom noch am gleichen Nachmittag zu überlegen, wie man einen gewöhnlichen Karren in einen geländegängigen Planwagen umbauen könnte. Man würde ungefähr zehn davon benötigen, um die ganze Familie mit aller Habe zu dem neuen Wohnort zu transportieren. Aber noch am selben Abend stellten sich die Familienoberhäupter von einem Dutzend anderer, gerade freigelassener Familien ein – schwarze Holts, Fitzpatricks, Perms, Taylors, Wrights, Lakes, MacGregors und andere von den verschiedenen Pflanzungen im Alamance County. Und sie baten nicht, mitkommen zu dürfen – nein, sie verlangten es kategorisch für sich und alle die ihren.
In den kommenden zwei Monaten bauten die Männer mit fieberhaftem Eifer ihre Planwagen, die sie »Geländeschaukeln« nannten. Die Frauen schlachteten, kochten, machten ein und trockneten Futter, alles für die große Reise, und sie wählten aus, was sonst noch lebenswichtig war zum Mitnehmen.
Hühner-George, der alle Vorbereitungen überwachte, stolzierte umher und genoß die Rolle des großen Helden. Tom Murray wurde bedrängt von weiteren freiwilligen Helfern aus den Reihen anderer kürzlich freigelassener Familien. Ständig versicherte man ihm, auch sie würden in Kürze ihre eigenen Gefährte bekommen und zu Planwagen umbauen. Schließlich
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