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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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gewöhnt«, sagte Tom, »ich hab nie die Absicht gehabt, irgendwo Ärger zu machen. Aber ich bin ein Mann, der sich nicht rumschubsen läßt. Wenn ich gewußt hätte, was hier los ist, wäre meine Familie niemals hierhergekommen, um jemandem lästig zu fallen.«
    »Wie du meinst, Junge. Denk drüber nach«, sagte der zweite weiße Mann, »es liegt ganz bei dir.«
    »Ihr müßt erst mal lernen, daß dieses ganze Gewäsch von Freiheit euch nicht in den Kopf steigt«, sagte der erste.
    Sie wandten ihre Pferde, ohne noch ein einziges Wort zu verlieren. Dann ritten sie fort.
    Als sich dieser Vorfall auf den verschiedenen Hofplätzen herumgesprochen hatte, liefen die Familienoberhäupter sofort herbei, um Tom zu sehen.
    »Junge«, sagte Hühner-George, »du weißt doch seit Jahren, wie die weißen Leute sind. Kannst du dich denn nicht ’n bißchen anpassen? Du bist ein so guter Schmied – die wirst du doch im Handumdrehn rumkriegen.«
    »Erst die ganze anstrengende Fahrt, und jetzt alles packen und wieder auf Achse«, rief Matilda aus, »nein, das darfst du deiner Familie nicht antun, Junge!«
    Irene stimmte ein: »Tom, bitte, ich kann nicht mehr. Verstehst du, ich kann nicht mehr.«
    Aber Tom blieb zornig.
    »Nichts wird von allein besser, wenn du’s nicht selbst besser machst«, sagte er, »ich denk nicht dran, an einem Ort zu bleiben, wo ein freier Mann nicht das tun kann, worauf er ein Recht hat. Ich bitte keinen, uns zu begleiten. Aber wir packen unsern Kram und fahren morgen früh ab.«
    »Ich komm mit«, rief Ashford aggressiv.
    In dieser Nacht konnte Tom nicht schlafen. Er ging ruhelos herum, niedergedrückt von Schuldgefühlen dessentwegen, was er erneut der Familie zuzumuten im Begriff war. Er sah wieder all das Leid und die Strapazen vor sich, die sie in den Wagen hatten erdulden müssen, als sie wochenlang unterwegs waren … und er erinnerte sich an das, was Matilda des öfteren gesagt hatte: »Such nur lang genug in einem Haufen Stroh – und du wirst auch ein gutes Korn drin finden.«
    Dann hatte er plötzlich eine Idee. Er wanderte eine weitere Stunde umher, um den Plan in seinem Kopf deutlicher Gestalt annehmen zu lassen. Erst danach kehrte er rasch zu dem Wagen zurück, wo seine Familie schon schlief.
    Am nächsten Morgen bat Tom seine Brüder James und Lewis, für Irene und die Kinder provisorische Hütten aus Astwerk zu errichten, damit sie darin vorübergehend schlafen konnten – denn er brauchte den Wagen. Staunend stand die Familie um ihn herum – Ashford in zunehmendem Unglauben und Ärger –, als er mit Virgils Hilfe den Amboß umlud und auf einem zuvor hergerichteten Holzblock anbrachte. Am Nachmittag hatte er eine Art bewegliche Esse aufgebaut.
    Jedermann schaute ihm zu, wie er als nächstes die Zeltplanen vom Wagendach entfernte, danach die hölzernen Seitenplanken, bis allein die Plattform übrigblieb, auf der er dann mit den schweren Werkzeugteilen zu hantieren begann. Langsam begriffen die Zuschauer den verblüffenden Einfall, den Tom hier in die Tat umsetzte.
    Schon am Ende der Woche konnte Tom mit seiner rollenden Schmiedewerkstatt durch den Ort fahren. Und es gab wohl kaum jemanden, weder Mann noch Frau oder Kind, der nicht Augen und Mund aufsperrte: da waren Amboß, Esse und Wasserbecken fest auf der durch schwere Bohlen verstärkten Wagenplattform montiert, ganz zu schweigen von den Gestellen auf der Seite, die in makelloser Ordnung das komplette Werkzeug enthielten. .
    Höflich winkte Tom allen Männern zu, denen er begegnete – ob weiß oder schwarz –, und fragte, ob sie Schmiedearbeiten machen lassen wollten; und er stellte vernünftige Preise in Aussicht.
    Innerhalb weniger Tage verlangten immer mehr Farmen rund um die neue Ansiedlung nach Toms Diensten, und niemand verfiel auf die Idee zu fragen, warum ein Schwarzer nicht sein Handwerk vom Wagen herunter ausüben sollte. Mit der Zeit wurde den Leuten auch klar, daß sie mit einer beweglichen Schmiede gar nicht so schlecht bedient waren – besser jedenfalls, als wenn sie zu Tom hätten hinkommen müssen. Jedenfalls war Tom bald so unentbehrlich rund um die Stadt, daß niemand Einwände erhob. Wozu auch? Tom verrichtete seine Arbeit anständig und kümmerte sich nur um seine eigenen Angelegenheiten. Das mußten alle wohl oder übel respektieren.
    So wurde die gesamte Familie bald wie normale Christenmenschen angesehen, die ihre Rechnungen pünktlich bezahlen, ihre Nase nicht in fremder Leute Dinge stecken und »mit den

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