Wut im Quadrat - Mannheim-Krimi
Pfützen und Dornensträucher, die in den Weg ragten, sie wollte so schnell wie möglich zu ihren Nichten gelangen.
»Ira! Luise! Wo seid ihr?«
Ihr Herz klopfte, ihre Lungen brannten. Sie war besessen von dem Gedanken, ihre Nichten retten zu müssen.
Schnell! Schnell! Ich muss rechtzeitig bei ihnen sein!
Dann war der Waldweg zu Ende und sie erreichte die Stelle, wo dieser vom Rheinufer abbog. Der Anblick, der sich ihr bot, lieà sie erstarren.
Ira und Luise knieten im Wasser und starrten auf etwas, das sich in einem Baum verfangen hatte. Als Vanessa bei ihnen ankam, übergab sich ihre jüngere Nichte gerade.
»Ich hab euch gerufen! Warum antwortet ihr nicht?« Sie war noch immer wütend.
Die beiden Mädchen saÃen still im Wasser und rührten sich nicht. Sie schienen unter Schock zu stehen. SchlieÃlich drehte Ira unendlich langsam den Kopf in Richtung ihrer Tante und blickte ihr tief in die Augen.
Vanessa verstand nicht, was Ira wollte, doch die Szenerie erinnerte sie an einen Horrorfilm aus den Achtzigerjahren, dessen Name sie vergessen hatte. Es gruselte sie. »Sag doch was, Ira!«
Dann schaute sich die junge Frau um.
»Oh, mein Gott!«, rief Vanessa. Jetzt war ihr klar, was ihre Nichten derart schockierte. Sie stieg ins Wasser und nahm Ira in den Arm. Die Kleine lieà sofort ihren Tränen freien Lauf. Dann ergriff Vanessa fürsorglich Luises Hand und zog beide aus dem Rhein. Am Ufer holte sie ein Taschentuch hervor und säuberte Luises Mund vom Erbrochenen.
Gerade kam auch Marcel an. »Was ist los?«
Die drei antworteten nicht. Stattdessen nahm Vanessa die Picknickdecke und wickelte ihre zitternden Nichten darin ein.
Neugierig wollte Marcel ins Wasser eilen, um nachzusehen, was seine Schwestern so entsetzt hatte.
»Du bleibst hier!«, befahl Vanessa, während sie ihr Smartphone herauszog und die Nummer der Mannheimer Polizei wählte.
Als ihr Neffe nicht gehorchte und von der Neugier ins Wasser getrieben wurde, schrie sie ihn mit überschnappender Stimme an.
»Du bleibst aus dem Wasser!!!«
Marcel sah sie verwundert an. So ernsthaft und entschieden hatte er seine Tante noch nie erlebt.
»Komm hierher!«
Er gehorchte.
Die Kommissare parkten ihren Dienstwagen genau an der Stelle, an der Moritz auch in der Nacht zuvor geparkt hatte. Bei Tageslicht hatte der Rangierbahnhof nichts mehr von der bizarren Anmutung der letzten Nacht. Selbst die unzähligen Laternen, die ihm in der Dunkelheit etwas Märchenhaftes verliehen, sahen bei Tageslicht verrostet und alt aus.
Moritz hatte alle Vorbereitungen getroffen. Am Rangierbahnhof führte ein Angestellter des Verkehrsverbunds Rhein-Neckar die Kommissare zu besagter S-Bahn. Der Ort wirkte nun bei Tageslicht vollkommen anders als in Olivias Erinnerung. Die Szene war in keiner Weise mehr grotesk oder gar mythisch, die Realität am Rangierbahnhof sah kalt und nüchtern aus. Waggon war an Waggon gereiht, es roch nach Ãl und Diesel, und in der Mitte stand die rote S-Bahn, die Moritz noch in der Nacht heimlich mit einem Sicherheitsband hatte absperren lassen. »Ich habe gleich dafür gesorgt, dass er nicht zum Einsatz kommt«, versicherte Moritz Olivia, »das Baby gehört nun uns.«
Vor dem Waggon baute Fatih seine Gerätschaften auf. Dann drückte er seinen beiden Kollegen weiÃe Forensiker-Overalls in die Hand und bat sie hineinzuschlüpfen. Olivias Blick blieb an Moritz haften. Sie musterte ihn eine Weile und fragte sich, ob er wohl seine Lederjacke über den Overall ziehen würde. Doch er überraschte sie und tat es nicht. Stattdessen zog er Mundschutz und Haube über.
»Selten so gut gefühlt, wie in deiner Arbeitskleidung, Fatih«, kommentierte er die Situation, »ein ganz wunderbares Design!«
Olivia tat es ihrem Kollegen gleich und schob mühsam ihre Locken unter die Forensikerhaube.
»Entzückend«, kommentierte Moritz.
»Tja, ich kann es tragen«, antwortete Olivia.
Dir steht die Haube leider nicht. Aber das behalte ich mal besser für mich
.
Sie war nun ebenfalls bereit, mit der Spurensicherung zu beginnen. Ganz in Weià stiegen die drei in die S-Bahn. »Bitte führe uns zu der Stelle, an der der Mord gewesen sein soll«, bat Fatih in seiner förmlichen Art.
»Der
angebliche Mord
gewesen sein soll«, fiel ihm Moritz ins Wort, »wir haben noch nicht einmal einen Beweis, dass es sich überhaupt
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