Wut im Quadrat - Mannheim-Krimi
sein. Er oder sie hat keine Waffe verwendet, woraus geschlossen werden kann, dass er oder sie zum Zeitpunkt des Zusammentreffens nicht beabsichtigt hatte, einen Mord zu begehen. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass es zuvor zu einem heftigen Streit gekommen war.«
Er hielt kurz inne, legte sich die nächsten Worte zurecht und fuhr fort.
»Der Mörder muss dem Toten für längere Zeit den Hals zugedrückt haben. Um auf diese Weise jemanden zu töten, braucht man Kraft und vor allem Kraftausdauer, denn die Stimmritze am Kehlkopf muss für mehrere Minuten zugedrückt werden.«
Wieder machte er eine kurze Pause.
»Ãberall in seinem Gesicht finden sich kleinere Blutungen, die etwa stecknadelkopfgroà sind: an den Wangen, auf der Stirn, in den Augen. Zudem finden sich solche Tardieuâsche Flecken am Herzen wie auch im Brustinnenbereich. Der Tote wurde also mit hundertprozentiger Sicherheit erwürgt, bevor er in den Rhein geworfen wurde.«
Fatih lehnte sich zurück und nahm genüsslich einen groÃen Schluck seines schwarzen Kaffees.
»Könnte etwas heiÃer sein«, bemerkte Fatih und stellte die Tasse wieder auf den Tisch.
Dann nahm er wieder sein Diktiergerät in die Hand und fuhr mit seiner Analyse fort.
»Die Leiche wurde im Rhein treibend gefunden. Typische Haltung dafür: Bauchlage; Arme und Beine hingen nach unten, ebenso der Kopf. Daher können einige der Kopfverletzungen auch von Steinen und Gegenständen unter Wasser stammen. Gerade bei dem Hochwasser der letzten Tage ist dies sogar wahrscheinlich. In den Atemwegen der Leiche vermischten sich Wasser und verschiedene Sekrete. In der Lunge hatte sich Schaum gebildet. Der Organismus ist leicht übersäuert.«
Wieder nahm er einen groÃen Schluck seines Kaffees. »Auch Hände und FüÃe zeigen Abschürfungen und Wunden. Sie stammen wahrscheinlich nicht vom Kampf und haben nicht geblutet. Die Haut ist schrumpelig. Wahrscheinlich trieb der Tote etwa acht Stunden im Rhein. Wenn er sich nicht in Höhe des Strandbades verfangen hätte, wäre er bei der aktuellen Strömung gut und gerne hundert Kilometer weiter flussabwärts getrieben worden.«
Fatih überlegte kurz, ob er den letzten Satz so stehen lassen konnte. Er kalkulierte hundert Kilometer bei der aktuellen Strömung, war dann aber zu bequem, um eingehender nachzurechnen, und belieà es bei dem Satz. Für die weitere Vorgehensweise war dies ohnehin irrelevant. SchlieÃlich hörte er sich seinen Bericht noch einmal an und war zufrieden. Dass die Leiche bereits so früh gefunden worden war, hielt er für ein groÃes Glück.
Er legte das Diktiergerät weg, trank einen weiteren Schluck von seinem Kaffee und nahm sich der letzten Untersuchung an, die er sich für heute vorgenommen hatte. Dabei hatte er die Fingernägel des Toten im Auge. Fingernägel waren seine Spezialität!
Nach einem allerletzten Schluck stand Fatih auf und schlüpfte in sein weiÃes Halbgottgewand, wie er seinen Ãrztekittel immer bezeichnete.
Zurück im Obduktionssaal lieà er die Leiche wieder aus ihrem Fach holen und zum OP-Tisch bringen. Gerade als er anfangen wollte, klingelte sein Handy. Eines seiner Kinder war dran. Ohne BegrüÃung nahm Fatih ab.
»Ich stehe gerade am Tisch.«
Schon legte er wieder auf. Dieser Satz war das deutliche Signal, dass er nicht gestört werden wollte, seinen Kindern und seiner Frau hatte er das oft genug eingeschärft.
Wenn Olivias Geschichte stimmte, waren aus seiner Sicht die Fingernägel interessanter als die FuÃnägel. Sollte er Glück haben, gab es dort noch Reste einiger Haut- oder Blutspuren vom Kampf mit dem Täter. Oder das Opfer hatte sich im Ringen mit dem eigenen Tod in einen der S-Bahn-Sitze gekrallt. In diesem Fall würde man Spuren vom Bezug finden können und sie wüssten zumindest, dass die Leiche, wie Olivia vermutet hatte, der Tote aus der S-Bahn war.
Fatih nahm sich die rechte Hand vor. Sie war leicht angeknabbert. Das konnte bei acht Stunden im Rhein schon einmal passieren. Zu seiner groÃen Enttäuschung hatten die acht Stunden im Rhein aber auch noch das bewerkstelligt, was er befürchtet hatte: Es lieÃen sicht unter den Fingernägel nämlich überhaupt keine aussagekräftigen Reste mehr finden, nicht einmal mikroskopisch winzige.
Er griff zur linken Hand des Toten und untersuchte diese. Auch hier
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