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Wut

Wut

Titel: Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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bin extra hergekommen, um es Ihnen zu sagen. Denn sehen Sie, Professor, ich habe Ihren Rat befolgt, diesen Rat, der für Sie nur ein dummer Gag war, aber Gott hat meine Mühe belohnt. Ein Filmvertrag! Sehen Sie selbst, hier steht es schwarz auf weiß. Sehen Sie, der Name des Studios. Sehen Sie, das Honorar. Jawohl, eine Komödie, stellen Sie sich vor. Nach einem ganzen Leben ohne Humor werde ich die Leute zum Lachen bringen. Billy Crystal in der Titelrolle, er hat schon zugesagt, er findet die Rolle großartig. Ein todsicherer Hit, eh? Premiere nächstes Frühjahr. Jede Menge Werbung. Ein Wahnsinn. Großes Eröffnungswochenende. Warten Sie’s nur ab. Okay, bis dann, Professor Arschloch, und vielen Dank für den Titel. Jewboat. HA, ha, ha, HA.«
     

16
    Der unzulängliche Sommer schloß seine Pforten wie ein Flop am Broadway. Die Temperatur fiel wie eine Guillotine; der Dollar dagegen begann seinen Höhenflug. Überall, wo man hinsah, in den Fitneßstudios, den Clubs, Galerien, Büros, auf den Straßen, auf dem Parkett der New Yorker Börse, in den großen Sportstadien und Unterhaltungszentren bereiteten sich die Menschen auf die neue Saison vor, wärmten die Muskeln für den Einsatz, frischten Körper, Geist und Garderobe auf und begaben sich in die Startlöcher. Showtime auf dem Olymp! Die City war die Rennstrecke. Graue Mäuse brauchten sich zu diesem äußerst anspruchsvollen Wettkampf gar nicht erst zu melden. Dies war ein immens wichtiges Ereignis, der Kampf um Höchstleistungen, die Weltliga. Dies war ein Profirennen, dessen Sieger wahre Götter waren. Der zweite Platz zählte nicht: Verliererstraße . Silber- und Bronzemedaillen wurden nicht verliehen, und die einzige Regel hieß Sieg oder K.O.
    In diesem olympischen Herbst waren die Sportler auf allen Kanälen: in Ungnade gefallene chinesische Schildkrötenbluttrinker, Marion Jones’ Mund, der in ein Mikrophon flüsterte, Marion Jones’ Ehemann, dessen Dopingtest positiv gewesen war, Michael Johnson, der mit einem Telefon lief und alle Rekorde brach. Auch das, was Jack Rhinehart die Scheidungs-Olympiade genannt hatte, lief auf Hochtouren. Lester, der greise zweite Ehemann von Solankas Ex-Frau Sara Lear Schofield, verstarb vor dem letzten Verhandlungstag im Schlaf, hatte sie aber vorher noch enterbt. Der erbitterte Krieg der Worte zwischen Sara, dem brasilianischen Supermodel Ondine Marx und Schofields erwachsenen Kindern aus früheren Ehen verdrängte die Betonkillermorde endlich aus den Schlagzeilen. Sara ging aus diesen einleitenden Wortgeplänkeln eindeutig als Siegerin hervor. Um zu beweisen, daß der Verstorbene all seine Kinder von Herzen verabscheut und geschworen hatte, daß er keinem von ihnen auch nur so viel wie den Brückenzoll für die Triborough Bridge hinterlassen werde, veröffentlichte sie fotokopierte Auszüge aus Schofields privaten Tagebüchern. Außerdem engagierte sie Privatdetektive, um alles über Ondine, die einzig Erbberechtigte nach Schofiels letztem, heiß umstrittenen Testament, in Erfahrung zu bringen. Die Presse wurde überschwemmt mit Einzelheiten über die bisexuelle Promiskuität des Models und ihre Vorliebe für chirurgische Verschönerungen. »Sie ist nicht mein Geschmack, aber es heißt, sie ist ein Leckerbissen«, bemerkte Sara mit beißendem Spott. Ondines früherer Drogenmißbrauch und ihre anstößigen Pornofilme wurden ebenfalls dankbar aufgenommen; und als Krönung des Ganzen förderten die Privatdetektive auch noch eine geheime Liaison mit dem attraktiven Paraguayo-Nachkommen eines Nazi-Kriegsverbrechers zutage. Diese Enhüllungen führten dazu, daß das Model das Interesse der Einwanderungsbehörde erregte und Gerüchte von der bevorstehenden Annullierung ihrer Green Card kursierten. Ich bin noch immer ein einfacher Landser hier, Britpack Sara aber befehligt Bataillone, dachte Malik Solanka mit einer gewissen Bewunderung. Ich bin nur ein Gesicht in der Menge, sie aber gehört zu den Killerqueens.
    Planetgalileo.com, das Projekt der Marionettenkönige, sein letzter Versuch zum großen Coup, hatte mächtige Verbündete gefunden. Die Webspyders hatten ihre Netze geschickt gespannt. Förderer und Sponsoren standen Schlange, um sich an diesem wichtigen neuen Unternehmen des Schöpfers des legendären Braingirls beteiligen zu dürfen. Über Produktion, Distribution und Marketing bestanden bereits Absprachen mit den wichtigsten Geschäftspartnern: Mattel, Amazon, Sony, Columbia, Banana Republic. Ein ganzes Arsenal von

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