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Wut

Wut

Titel: Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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Außerdem suchte sie, begleitet von einer Restmannschaft von Kameraleuten, eifrig nach Mitteln und Wegen, um über Australien oder Borneo illegal nach Lilliput-Blefuscu einzureisen. Solanka begann sich größte Sorgen um ihre Sicherheit und trotz der größeren historischen Bedeutung der Dinge, die gegenwärtig seine Aufmerksamkeit erforderten, um sein eigenes, neu gefundenes Glück zu machen. Unvermittelt eifersüchtig auf ihre Arbeit, pflegte er seinen imaginären Groll und redete sich ein, er werde geringgeschätzt und ignoriert. Schließlich betrat seine fiktive Zameen heimlich baburischen Boden, weil sie nach ihrem Schützling suchte (obwohl ihm, wie er sich eingestand, unklar war, zu welchem Zweck). Eine weitere furchtbare Möglichkeit drängte sich auf. Vielleicht suchte Neela in Lilliput nicht nur eine Story, sondern auch einen Mann. Nun, da der Mantel der Geschichte auf die völlig unpassenden Schultern des glatzköpfigen, barbrüstigen Flaggenschwingers gefallen war, den sie so sehr bewunderte, war es da nicht möglich, daß Neela in diesem muskelbepackten Babur einen weit attraktiveren Liebhaber sah als in dem eher gesetzten, reiferen Mann, der mit Märchen und Spielzeug handelte? Aus welchem Grund sollte sie sonst ihr Leben aufs Spiel setzen, indem sie sich nach Lilliput-Blefuscu hineinschlich, um ihn zu suchen? Nur wegen eines Dokumentarfilms? Ha! Das leuchtete nicht ein. Das war ein Vorwand, wenn man so wollte. Und Babur, ihr wachsendes Verlangen nach Babur, war der wirkliche Grund.
    Eines späten Abends, und auch nur, nachdem er ein großes Theater darum gemacht hatte, kam sie ihn in der West Seventieth Street besuchen. »Ich dachte, du würdest mich nie darum bitten«, sagte sie lachend, als sie eintraf, und versuchte, indem sie möglichst heiter klang, die dicken Wolken aus der gespannten Atmosphäre zu vertreiben. Er konnte ihr nicht die Wahrheit sagen: daß er wegen Milas Gegenwart gleich nebenan bis jetzt noch Hemmungen gehabt hatte. Sie waren beide zu nervös und erschöpft, um sich zu lieben. Sie war ihren Hinweisen nachgegangen, und er hatte den Tag damit verbracht, mit Journalisten über das Leben auf Galileo-I zu sprechen, eine entnervende, auslaugende Arbeit, bei der er selbst merkte, wie wenig überzeugend er klang, und von der er wußte, daß die Journalisten seine Worte verfälscht wiedergeben würden. Solanka und Neela sahen sich Letterman an, ohne ein Wort zu wechseln. Da sie an Schwierigkeiten in ihrer Beziehung nicht gewöhnt waren, hatten sie noch keine Sprache für den Umgang mit Problemen erfunden. Je länger das Schweigen zwischen ihnen dauerte, desto häßlicher wurde es. Und dann, als wären die bösen Gefühle aus ihren Köpfen hervorgebrochen und hätten Gestalt angenommen, hörten sie einen durchdringenden Schrei. Dann ein Geräusch, als gehe etwas in Scherben. Dann einen zweiten, lauteren Schrei. Und dann eine sehr lange Zeit gar nichts.
    Sie gingen auf die Straße hinaus, um nachzusehen. Das Vestibül von Solankas Haus hatte eine Innentür, die man nur mit einem Schlüssel öffnen konnte, doch da im Moment der Metallrahmen verzogen war, fiel sie nicht mehr richtig ins Schloß. Die äußere Tür, die Tür zur Straße, wurde niemals abgeschlossen. Das war sogar im neuen, sichereren New York besorgniserregend. Denn wenn draußen eine Gefahr drohte, konnte sie theoretisch auch ins Haus gelangen. Doch auf der Straße war alles still und leer, als hätte niemand anders etwas gehört. Auf jeden Fall war niemand herausgekommen, um nachzusehen, was los war. Und trotz des lauten Krachens lag nichts auf dem Bürgersteig, weder ein zerbrochener Blumentopf noch eine Vase. Verwundert blickten sich Neela und Solanka um. Das Leben anderer Menschen hatte das ihre berührt und war wieder verschwunden. Es war, als hätten sie einen Streit zwischen Geistern belauscht. Das Fenster, das zu Milas Wohnung gehört hatte, war jedoch weit hochgeschoben, und als sie hinaufschauten, erschien die Silhouette eines Mannes und zog es energisch zu. Dann gingen die Lichter aus. »Das muß er sein«, sagte Neela. »Es hörte sich an, als hätte er sie beim erstenmal verfehlt, sie aber beim zweitenmal erwischt.« Und das Geräusch von etwas, das zerbricht? fragte Solanka. Sie aber schüttelte nur den Kopf, ging ins Haus und wollte unbedingt die Polizei anrufen. »Wenn ich ermordet würde, und meine Nachbarn unternähmen nichts, würde ich tief enttäuscht von ihnen sein, du nicht auch?«
    Innerhalb einer

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