Wut
Spielsachen war in der Planung, alles, von weichen Schmusepuppen bis zu lebensgroßen Robotern mit Stimmen und blinkenden Lichtern, ganz zu schweigen von den Spezialkostümen für Halloween. Es gab Gesellschaftsspiele, Puzzlespiele und neun verschiedene Raumschiffe und Cyborg-Neutralisatoren sowie maßstabgerechte Modelle des ganzen Planeten Galileo-I und, für die echten Fans, des ganzen Sonnensystems. Die Amazon-Vorbestellungen für das Buch zur Geschichte Die Revolte der Lebenden Puppen reichten fast an das rekordbrechende Niveau der Braingirl-Bände heran. Ein Playstation-Spiel stand kurz vor dem Versand und wurde bereits kräftig vermarktet; eine neue Modelinie unter dem Galileo-Label sollte während der 7th on Sixth-Modewoche vorgeführt werden; und, beschleunigt von der Angst vor einem großen Streik der Schauspieler und Autoren im kommenden Frühjahr, sollte in nächster Zeit ein Big-Budget-Film grünes Licht bekommen. Banken wetteiferten miteinander darum, Kredite geben zu dürfen, und senkten die Zinssätze der notwendigen, immensen Darlehen immer weiter. Das größte Internet-Provider-System Chinas hatte um Gespräche gebeten. Mila, die Frontfrau der Webspyders, arbeitete rund um die Uhr - mit außerordentlichen Resultaten. Solankas Verhältnis zu ihr war jedoch weiterhin äußerst distanziert. Ihr Zorn über seine Abfuhr war eindeutig weit größer, als sie sich anfangs hatte anmerken lassen. Solanka wurde von ihr über sämtliche Entwicklungen auf dem laufenden gehalten und aufgefordert, sich auf eine Medien-Offensive gefaßt zu machen, doch was den menschlichen Kontakt betraf, so hätten die Manhattan und die Brooklyn Bridge ebensogut mit Stacheldraht abgesperrt sein können, mit geklonten, dreiköpfigen Versionen von Eddie Ford als Wächter auf beiden Seiten. In der elektronischen Welt arbeiteten Solanka und die Webspyders jeden Tag stundenlang eng zusammen. Draußen aber waren sie Fremde. Das war offenbar unvermeidlich.
Zum Glück war Neela noch in New York, obwohl der Grund für den Aufschub ihrer Reise beunruhigend war und ihr große Sorgen machte. In Lilliput-Blefuscu hatte es einen Coup gegeben, angeführt von einem gewissen Skyresh Bolgolam, einem Elbee-Kaufherrn, dessen Handelsunternehmen alle fehlgeschlagen waren und der daher die wohlhabenden Indo-Lilly-Händler mit einer Leidenschaft haßte, die man rassistisch hätte nennen können, wäre sie nicht so eindeutig aus Berufsneid und persönlichem Groll entstanden. Der Coup schien spektakulär überflüssig zu sein; unter dem Druck der Bolgolamiten hatte Golbasto Gue, der liberale Präsident des Landes, der ein Reformprogramm durchgeboxt hatte, das den Indio-Lilliputanern gleiches Wahl- und Besitzrecht zusicherte, inzwischen schon den Kurs ändern und die neue Verfassung nur Wochen nachdem sie eingeführt worden war, rückgängig machen müssen. Bolgolam vermutete jedoch eine List; er stürmte, begleitet von zweihundert bewaffneten Rowdies, das Lilliputanische Parlament im Stadtzentrum von Mildendo und nahm ungefähr fünfzig Indo-Lilly-Parlamentarier und Angehörige des politischen Stabes sowie Präsident Gue selbst als Geiseln. Zur selben Zeit überfielen Bolgolams Totschlagkommandos führende Mitglieder der politischen Indo-Lilly-Führung und steckten sie ins Gefängnis. Die Rundfunk- und Fernsehsender des Landes ebenso wie die Telefonzentrale wurden besetzt. Am Blefuscu International Aerodrome wurden die Runways blockiert. Lillicon, der Haupt-Internetserver der Inseln, wurde von der Bolgolam-Bande geschlossen. Dennoch blieb ein begrenzter Datentransfer bestehen.
Wo sich Neelas Freund von der New Yorker Demonstration aufhielt, war nicht bekannt; doch als trotz Bolgolams Verbot allmählich Nachrichten aus Lilliput ins Ausland sickerten, stellte sich heraus, daß Babur nicht zu denen gehörte, die im Parlament oder im Gefängnis als Geiseln festgehalten wurden. Wenn er nicht getötet worden war, mußte er untergetaucht sein. Neela entschied, daß dies die wahrscheinlichere Alternative sei. »Wenn er tot ist, hätte Bolgolam, dieser Schurke, die Nachricht bestimmt herausgegeben. Nur um die Opposition noch mehr zu demoralisieren.« Solanka sah sie in den Tagen nach dem Staatsstreich nur sehr selten, weil sie wegen der Zeitdifferenz von dreizehn Stunden häufig noch mitten in der Nacht versuchte, über das World Wide Web und Satphone-Links Kontakt mit dem aufzunehmen, was jetzt die Filbistani Resistance Movement (das FRM oder Fremen ) war.
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