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Wyler, Leana

Wyler, Leana

Titel: Wyler, Leana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: letzte Tür links (German Edition) Nottingham Castle
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Lady Nottingham – sie hatte wohl keine weiteren Kinder?”
    „Sie war schon ziemlich alt, als sie endlich guter Hoffnung war. Ihr Mann kam kurz vor der Niederkunft bei einem Kampf ums Leben.”
    Susannah nickte. „Dann war sie wohl recht verzweifelt. Das Kind war ihr einziger Nachkomme, und dann verstarb es.”
    „Willst du sie verteidigen?” Er setzte sich aufrechter hin, blitzte sie an.
    Sie blieb ruhig. „Nein, nur verstehen”, erklärte sie. „Sie hat also versucht, einen echten Edelmann aus Euch zu machen, nach ihrer Vorstellung.”
    Er sprang auf. „Weißt du, was das bedeutet hat? Hart wollte sie mich machen, um jeden Preis. Schenkte mir einen Hund, den ich lieb gewann, nur, um mir anschließend zu befehlen, ihn umzubringen. Mit meinen eigenen Händen. Damit ich mich nicht an Sentimentalitäten gewöhnte.”
    Eine Haarsträhne fiel ihm in die Stirn, doch er war so in Rage, dass er es gar nicht bemerkte. „Sie gewöhnte mich an Schmerzen, von klein auf, mit Hieben, Peitschen oder glühenden Stöcken. Um mich abzuhärten fürs Leben. Willst du die Narben sehen?”
    Er schob den linken Ärmel seines Hemds zurück, zeigte ihr blasse Male an seinem Unterarm. „Und alles nur, um einen starken Herrscher aus mir zu machen, aus mir, dem unwürdigen Sohn einer Amme.”
    Seine Hände fielen wieder nach unten.
    Susannah schluckte. Ihr war eiskalt geworden. Wie hatte diese kaltherzige Frau einem Kind nur derartige Dinge antun können! Es musste die reinste Hölle gewesen sein, unter solchen Umständen aufzuwachsen. Mit dieser Bestie als Mutter.
    „Was wird nun mit ihr geschehen?”, fragte sie.
    Er starrte auf eine dunkle Maserung in den Holzdielen. „Ich weiß es nicht. Ihr wird keiner glauben. Ich kann das Gerücht streuen, dass sie verrückt sei, die meisten halten sie sowieso schon für verwirrt. Ich werde natürlich weiterhin der Herr über Nottingham Castle bleiben.”
    Susannah stand auf und trat an ihn heran. „Werdet Ihr mir nun die Zunge herausschneiden, um sicherzugehen, dass ich niemandem etwas davon erzähle?”
    Er blickte sie an und versuchte ein Lächeln, das misslang. „Wer glaubt schon einer Hebamme”, sagte er mit völlig fremder, weicher Stimme.
    Sie hob ihre Hand und legte sie an seine Wange. Ein überraschter Ausdruck erschien auf seinem Gesicht, aber er ließ sie gewähren.
    „Sie wollte Euch von jedem Gefühl fernhalten”, sagte sie leise. „Aber ich weiß, dass Ihr kein kaltherziger Mensch seid.”
    „Da würde dir jeder unten im Dorf widersprechen, Susannah.”
    Es war das erste Mal, dass er ihren Namen ausgesprochen hatte. Ein warmer Schauer lief durch ihren Leib. „Susannah”, hatte er gesagt. Mit dieser tiefen, vollen Stimme, die schon immer ihr Herz einen Tick schneller schlagen ließ. Fast so, als wäre es ein Kosewort. Irgendetwas in ihr fühlte plötzlich eine große Zuneigung zu diesem unbeherrschten, brutalen und egoistischen Herrscher über Nottingham Castle, der wie ein trauriges kleines Kind vor ihr stand.
    „Ist mir egal, was die Leute reden.”
    Sie legte ihre Arme um ihn und zog ihn sanft an sich. Er ließ es geschehen, stand erst ganz steif, doch dann schlang auch er seine Arme um ihren Leib, drückte sie an sich. Seine Wange war rau, doch das machte ihr nichts aus. Sie hielt ihn, hielt ihn fest wie einen Verzweifelten, streichelte seinen Nacken, küsste ihn leicht auf den Hals.
    „Es wird alles gut”, versuchte sie, ihn zu beruhigen, „niemand weiß, dass Ihr kein echter Mann von Stande seid.”
    „Ich weiß es”, sagte er nur. Und sein Tonfall ließ sie erschaudern. „Ich weiß, dass ich ein Nichts bin. Im Grunde unwürdig, hier zu leben oder Befehle zu erteilen.”
    Die Bitterkeit in seinem Ton war nicht zu überhören.
    „Das ist Unsinn! Ihr seid in diese Aufgaben hineingewachsen. Und es ist nicht Eure Schuld, dass Ihr als Säugling ausgetauscht wurdet.”
    Seine Augen blieben matt. Ihr Herz zog sich zusammen, als sie dies sah. Susannah strich ihm eine Strähne seines schwarzen Haares aus der Stirn und fuhr mit den Fingern sachte über seine Schläfe.
    „Mir ist es egal, ob Ihr von Geburt ein Edelmann seid oder nicht”, flüsterte sie.
    Sie legte ihre Lippen langsam auf die seinen, küsste ihn, wollte all die Misshandlungen wegküssen, all die Schmerzen und Verletzungen, die er erfahren hatte, ihn trösten mit ihrer Wärme und ihrer Zärtlichkeit. Er war kein schlechter Mensch, das spürte sie. Einer der es schwer gehabt hatte, der oft den

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