Wyler, Leana
Grunde seines Herzens eine Memme war.
Laut seufzend steckte er das Messer wieder ein. Stand auf. Legte sich den breiten, mit Edelsteinen besetzten Gürtel um.
Da er zu sonst nichts taugte, würde er sich eben seinem Schicksal stellen. Am Hofe gab es sicher jede Menge Feiglinge, da fiel einer mehr nicht ins Gewicht.
Aber zuerst würde er endlich nachsehen, was es mit diesem Hämmern auf sich hatte, welches ihm schon seit den frühen Morgenstunden auf die Nerven ging.
Als er aufs Fenster zuging, passierte er das Kästchen, auf dem noch einige Schmuckstücke für Marian lagen. Die Diener hatten diese offenbar übersehen. Marian. Sein Eheweib. Dieser Ausdruck klang mehr als fremd in seinen Ohren. Er hatte nicht die geringste Gefühlsregung, wenn er an sie dachte. Und doch würde er sich in wenigen Tagen mit ihr vermählen. Eine Hochzeitsnacht mit ihr verbringen und, sofern ihm das Glück zumindest in dieser Hinsicht hold war, zahlreiche Nachkommen zeugen.
Aber eine Nacht wie die mit Susannah würde ihm keine Frau der Welt mehr schenken, das fühlte jede einzelne Faser seines Leibes.
*
„Hure!”, spie Lady Nottingham ihr entgegen. „Ich teile doch diese Zelle nicht mit einer dreckigen Hure!”
Die Wachen hatten die Tür jedoch schon von außen versperrt und kümmerten sich offenbar nicht weiter um das Geschrei in den Kerkerabteilen. Susannah drückte sich an die feuchte Wand. In den Ritzen der riesigen Steinquader wucherte Moos, der Boden war mit Unrat übersät, es stank entsetzlich.
„Hat er endlich eingesehen, was du für eine bist?”, fauchte die Alte schon wieder los. Susannah erschrak, als sie die Lady näher betrachtete. Sie sah fast schon gespenstisch aus. Das weiße Haar stand wirr von ihrem Kopf ab, die Augen bewegten sich unstet hin und her, sie war so blass, dass sie fast leuchtete, hier im dämmrigen Verlies.
Sie beschloss, am besten gar nicht zu antworten und auf ausreichend Abstand zu achten, sofern das in diesem beengten Raum überhaupt möglich war.
In ihrem Kopf herrschte ein wirres Durcheinander.
Was er wohl mit ihr selbst vorhatte? Würde er sie hinrichten lassen, so wie Robin? Noch am heutigen Tag?
Susannah schlang die Arme um ihren Oberkörper, sie zitterte.
„Der Galgen steht schon”, zischte die Verrückte, die offenbar ihre Gedanken lesen konnte, „und du kommst auch dran, dafür sorge ich.”
Sie brach in ein hysterisches Gelächter aus und zeigt mit dem Finger auf Susannah.
„Hängen wirst du, gleich nach Locksley, und dann ist Eadric endlich frei von dir und deinen Hexenbeschwörungen.”
Susannahs Mund war vollkommen ausgetrocknet. Hatte die Alte wirklich recht?
Die gab immer noch keine Ruhe, war allem Anschein nach froh, endlich ein Opfer gefunden zu haben, an dem sie ihre Bösartigkeit auslassen konnte.
„Hast du sie schon bewundert, die Richtstätte? Dort oben ist ein Fenster, du musst nur auf den vorstehenden Stein klettern, dann kannst du sie sehen.”
In der Tat! An der seitlichen Wand war ganz oben ein kleines, vergittertes Fenster angebracht, durch das trübes Licht in das Verlies fiel. Susannah gehorchte der irren Lady nur ungern, aber sie wollte unbedingt wissen, was dort draußen vor sich ging.
Vorsichtig setzte sie einen Fuß auf den kleinen Wandvorsprung und zog sich nach oben. Sie konnte direkt in den Burghof sehen, wo die Hinrichtungsstätte wie eine Bühne aufgebaut war. Soldaten liefen herum, weiter hinten standen ein paar Wägen, jemand führte ein Pferd vorbei.
„Bald öffnen sich die Tore, dann kommen die Menschen herein, um dem Spektakel beizuwohnen”, erklärte die Alte. „Und du, du wirst mir haarklein alles berichten, was sich dort zuträgt.”
Susannah sah die Schlinge am Galgen im Wind hin und herschwingen. Und mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass dies alles kein Spiel war, sondern bitterer Ernst. Ein Zittern lief durch ihren Körper und von ganz tief innen drängten sich ein haltloses Schluchzen nach draußen.
Eadric ließ sie tatsächlich umbringen!
Vor ein paar Stunden noch war sie neben ihm gelegen, an seinem starken, warmen Körper, hatte sich als etwas Besonderes gefühlt, als seine Vertraute, Eingeweihte, Geliebte.
Und ja, auch sie hatte ihn geliebt! Tat es immer noch mit einem großen Stück ihres Herzens, auch wenn der Rest von ihr sich aufbäumte, weil er ein gewissenloser Schuft war.
Und nun wollte er sie hängen sehen. Dort oben. An einem rauen Strick, der ihr den Hals zuschnüren würde. Zappeln würde sie, nach
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