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Wyoming 2 - Wildes Herz

Titel: Wyoming 2 - Wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Lindsey
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erschießen, damit es schnell vorbei wäre, oder würde er sie vorher lieber noch eine Zeitlang leiden sehen wollen?
    Sie sah ihn gleich. Er stand abseits von den anderen, groß, schlank und stocksteif, und beide Hände lagen auf dem silbernen Knauf eines Spazierstocks. Offensichtlich hatte er beim Aufbau des Lagers nicht mitgeholfen, eine Aufgabe, die wohl für seinen Geschmack zu niedrig war. Auch seine Kleidung hob ihn von den anderen ab. Er trug nicht nur einen taubengrauen Anzug mit Weste, sondern auch noch einen modischen Kammgarnmantel. Außerdem war er rund zehn Jahre älter als jeder seiner Begleiter, ihrer Schätzung nach etwa Anfang vierzig.
    Das also war er endlich, ihr Feind. Er machte auf sie nicht den Eindruck eines kaltblütigen Killers. Auf jeden seiner Männer hätte diese Beschreibung gepaßt, aber nicht auf ihn. Er sah genaugenommen vollkommen harmlos aus und wirkte hier so deplaziert, daß es schon lachhaft war.
    Jocelyn hätte bei dieser Überlegung gelächelt, denn sie war hier genauso deplaziert in ihrer schweren Reitkleidung aus Samt und mit dem feinen Spitzenhalstuch und dem großen schwarzen Hut, aber ihr war nicht nach einem Lächeln zumute. Longnose mochte zwar anders sein, als sie ihn sich vorgestellt hatte, aber er war dennoch der Mann, der sie mit seinen scheußlichen Absichten drei Jahre lang beharrlich verfolgt hatte.
    Jocelyn war angespannt, als Angel den Hang hinabritt, um sich seinen Freunden wieder anzuschließen, die sie jetzt nicht mehr in stummer Ehrfurcht anstarrten. Manche ihrer Äußerungen drangen durch ihre Gedanken hindurch, die sich jetzt überschlugen, und sie brachten sie sogar dazu, Longnose lange genug aus den Augen zu lassen, um die übrigen Männer anzusehen. Sie waren durch dieses Bündnis alle ihre Feinde, und wenn es ihr irgendwie gelingen sollte, sich aus ihrer Lage zu befreien, konnte es nichts schaden zu wissen wie sie aussahen. Es deprimierte sie jedoch nur, sie näher anzusehen. Sie waren ein Haufen von rohen Kerlen, die gefährlich wirkten und für diese Form von Arbeit sehr geeignet schienen. Hier würde sie keine Hilfe finden, und ihr wurde jetzt klar, daß sie tatsächlich auf Hilfe angewiesen war. Sie hatte nicht damit gerechnet, daß es so viele sein würden, und auch nicht damit, daß einige von ihnen sie mit lüsternen Blicken ansehen würden. Lieber Gott, ihr Mut sank schnell, und gleichzeitig schwanden ihre Hoffnungen, entkommen zu können.
    »Also, so was! Ich hätte nicht gedacht, daß sie so aussieht. Hättest du das geglaubt? «
    »Hast du etwa mit 'ner alten Frau gerechnet? «
    »Sie können vergessen, was Sie mir schulden, Boß«, rief ein anderer. »Ich nehme das Pferd! «
    Ein paar Männer lachten, aber sie ließen nicht von den persönlichen Äußerungen ab, die Jocelyn aus der Fassung brachten. Unbewußt preßte sie sich noch dichter an Angel, als er langsam auf Longnose zuritt.
    »Verdammt, so rotes Haar hab' ich noch nie gesehen. «
    »Zu mager. «
    »Na und? «
    »Soll sie erst rumgereicht werden, oder was? Das ist alles, was ich wissen will. «
    Das war eine Frage, auf die anscheinend nicht nur er eine Antwort haben wollte, denn einige sahen sich zu dem Engländer um. Aber er sagte immer noch nichts. Er starrte Jocelyn nach wie vor an und lächelte jetzt.
    Das ließ ihr Rückenmark gefrieren. Er war wohl stolzgeschwellt, oder nicht? Und spielte er wirklich mit dem Gedanken, sie diesen nichtsnutzigen Kerlen erst noch zu ihrer Unterhaltung zu überlassen? «
    Sie war vorbereitet, als Angel stehenblieb und sie auf den Boden stellte. Wenn Longnose etwas dichter vor ihr gestanden hätte, hätte die Spitze ihres Stiefels sein Kinn getroffen. Das hätte ihn gezwungen, etwas zu unternehmen. Aber es gab noch andere Mittel, ihn dazu zu provozieren, daß er sie gleich tötete, ehe seine Männer ernst mit ihren Forderungen machten. Sie hatte nicht vor, sich erst
    schänden zu lassen, um dann getötet zu werden. Das war zuviel verlangt.
    Aber in dem Moment, in dem Jocelyn entschlossen auf ihren Landsmann zuging, wurde sie von Angel gewaltsam zu ihm herumgerissen. Er war abgestiegen, und sie sah zu ihrem Erstaunen, daß er nicht annähernd so groß war, wie er im Sattel auf sie gewirkt hatte. Als sie ihn zum ersten Mal aus der Nähe sah, wurde ihr klar, daß er nicht viel älter war als sie. Aber unter diesem Regenmantel, der ihm bis auf die Stiefel reichte, verbarg sich eine zähe Kraft. Sie konnte sie in dem eisernen Griff spüren, mit dem ihr

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