Wyoming 2 - Wildes Herz

Titel: Wyoming 2 - Wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Lindsey

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nicht, daß sein Gefährte fast so sehr schockiert war wie sie selbst oder daß der grüne Samt ihres Reitkleides mit Blut besprenkelt war. Sie konnte nichts anderes tun, als den Mann anzustarren, und dabei war ihr klar, daß sie ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war, einem Mann, der kein Erbarmen kannte. Vielleicht war er doch Longnose persönlich.
Kapitel 32
    Es war nicht Longnose, natürlich war er es nicht. Schließlich hatte sie ihn mit dem breiten Akzent der Leute aus dem Westen reden gehört. Und sein gesprächiger, grinsender Gefährte nannte ihn immer wieder Angel und machte Anspielungen auf den Boß, der zweifellos Longnos sein mußte. Aber es hätte sich wenig geändert, wenn Miles Drydens Mörder der Engländer gewesen wäre, denn zu ihm wurde sie jetzt gebracht.
    Sie waren schon einige Stunden geritten, als die Betäubung nachließ und Jocelyns Verstand allmählich wieder zu funktionieren begann. Es war naheliegend, daß sie anfangs außer sich vor Angst gewesen war, als sie hatte feststellen müssen, daß sie auf seinem Pferd saß, vor ihm, und daß seine Arme beidseits um sie herumgriffen. Aber nachdem sie sich n och eine Stunde lang Saunders aufgeregtes Plappern und Angels nichtssagende mürrische Antworten angehört hatte, fürchtete sie sich weniger, zumindest vor den beiden.
    Saunders war ohnehin nur ein Junge, der mit seinem ewigen Grinsen harmlos wirkte. Und solange Angel hinter ihr saß und sie ihn nicht sehen konnte, konnten seine harten, brutalen Gesichtszüge sie nicht beunruhigen. Doch sie verfaß keinen Moment lang, wohin es ging und was sie erwartete, wenn sie dort ankämen.
    Es war nicht gerade ein angenehmes Gefühl zu wissen, saß man sterben würde. Der einzige Grund, aus dem sie nicht idiotisches Zeug vor sich hinschwatzte, war ihr angeborener Optimismus. Solange sie ihren letzten Atemzug nicht getan hatte, bestand noch die Hoffnung, daß irgend etwas zu ihrer Rettung geschehen würde. Ihre Flinte hatte sie eingebüßt, aber sie war nicht gänzlich unbewaffnet. Sie hatte zahlreiche lange Haarnadeln im Haar, die sich ganz ausgezeichnet eigneten, um jemandem die Augen auszustechen, zwei sehr feste Stiefel und zehn scharfe Fingernägel. Und sie konnte Mut aus der Vergangenheit schöpfen,! denn sie hatte Longnose schon viele Male einen Strich durch die Rechnung gemacht.
    Bei all ihrem Optimismus brauchte sie doch eine ganze Weile, ehe sie die Dreistigkeit aufbrachte, den Mann anzusprechen, der hinter ihr saß. Als sie es tat, fing sie gleich mit der zweckdienlichsten Frage an. »Wie lange habe ich noch? «
    »Für was? «
    »Zu leben. «
    »Darüber würde ich mir keine Sorgen machen«, erwiderte er mit seinem breiten Akzent beiläufig.
    Jocelyn war im ersten Moment sprachlos, doch dann biß sie verstimmt die Zähne zusammen. »Ich mache mir auch keine Sorgen. «
    »Warum fragen Sie dann? «
    »Natürlich nur, weil ich wissen will, wann ich Sie am besten von diesem Pferd werfe und die Flucht ergreife«, gab sie gereizt zurück.
    Zu ihrem Erstaunen lachte er. »Sie sind wirklich in Ordnung, aber ich dachte mir schon, daß Sie etwas Besonderes sein müssen, wenn man mich um einen Gefallen bittet. «
    »Sie tun das, um jemandem einen Gefallen zu tun? «] brachte sie erstickt heraus.
    »Die Bezahlung stimmt auch. «
    Was konnte sie dazu noch sagen? Der Mann war offensichtlich absolut gewissenlos. Oder stand er bei jemandem I in einer so hohen Schuld, daß er ihm keine Gefälligkeit abschlagen konnte? Aus irgendwelchen Gründen hatte sie jedoch das Gefühl, man könne diesen Mann nicht zwingen, Diese Information brachte sie aus dem Gleichgewicht, aber nur einen Moment lang. »Sehr geschickt, Mr. Dryden, aber das war auch schon das einzige, was Sie überzeugend gespielt haben. «
    »Blödsinn! « fauchte er. »Sie haben mir alles geglaubt! «
    »Genau wie Sie? « Jetzt war sie an der Reihe zu lächeln. »Es ist mir verhaßt, Sie zu enttäuschen, Sie ruchloser Mitgiftjäger, aber ich habe Sie heute belogen. Sie glauben doch nicht im Ernst, ich hätte jemanden geheiratet, dessen Motive so durchsichtig sind wie Ihre? «
    Als sie zu ihrer Zufriedenheit feststellte, daß er bleich wurde und genau verstanden haben mußte, wovon sie sprach, wandte sie ihre Aufmerksamkeit den beiden Männern zu, die jedes Wort gehört hatten, was sie gesagt hatte und ebenfalls verstanden hatten, was das hieß. Ihr war das recht. Dryden hatte es nicht verdient, in dem Glauben fortzureiten, er hätte sich an seinen