Wyoming 2 - Wildes Herz
zu den flachen Steppen, in denen sie größere Entfernungen in geringerer Zeit zurücklegten. Der Himmel war wunderschön, so blau, und die Sonne schien oft. Die Flüsse und Bäche waren frisch und rein und glitzerten. Selbst die Kälte war wohltuend. Sie fand nichts, woran sie etwas auszusetzen hatte, außer vielleicht, daß die Zeit so schnell verging.
Sie zogen jetzt seit vier Tagen durch Colorado, nachdem sie das Gebirge auf dem engen Raton-Paß überquert hatten, dem Schauplatz, auf dem vor wenigen Jahren fast ein Krieg ausgebrochen war, als die Eisenbahnlinien Denver & Rio Grande und Atchison, Topeka & Santa Fe zu einem Wettrennen angetreten waren, um Ansprüche auf ihre Streckenführung geltend zu machen, und Santa Fe hatte gewonnen, erstaunlicherweise ohne ein Blutvergießen.
Dicht neben den Schienen zu reiten, gab Jocelyn das Gefühl, wieder in die Zivilisation zurückgekehrt zu sein, aber schließlich hatte Colorado auch Tausende von Goldgräbern und Siedlern angelockt, die sich in seiner Wildnis niedergelassen hatten, seit dort 1858 Gold gefunden worden war. Es war jetzt recht dicht besiedelt und hatte 1876 sogar die Souveränität als Staat erlangt. Wenn sie nicht allzuviel von den benedeiten Gegenden zu sehen bekam, dann lag das daran, daß Colt dazu neigte, einen weiten Bogen um jede Farm, jede Ranch und jede Stadt zu machen.
Das sollte sich heute jedoch ändern. In der flachen Steppe ragten die gewaltigen Rocky Mountains mit dem hohen Pikes Peak auf und wirkten wie ein undurchlässiger Wall hinter der kleinen Stadt Colorado Springs, der sie sich um die Mittagszeit näherten. Colt sagte, sie könnten von dort aus mit dem Zug weiterfahren, und wenn sie sich vorstellte, in einem bequemen Bett in einem luxuriösen Schlafwagen mit Salon mit ihm zu schlafen, während die Landschaft an den Fenstern vorüberflog, hatte Jocelyn nichts dagegen einzuwenden. Er hatte ohnehin vorgehabt, den Zug in Denver zu er| wischen und die letzte Etappe ihrer Reise per Bahn zurückzulegen, und bei der Geschwindigkeit, mit der sie vorankamen, lag Denver nur zwei Tage weiter nördlich.
Colt hielt die Pferde jedoch an, ehe sie in die Stadt ritten, und Jocelyn war gezwungen, auf ihn zu warten, während er sich das Haar flocht. An jenem Morgen hatte er auch den dicken Mantel abgelegt, den er in den kalten Bergen getragen hatte, und jetzt war er nur noch mit der Fransenlederjacke, der engen schwarzen Hose und den weichen, hohen Stiefeln bekleidet.
Jocelyn sah ihn kopfschüttelnd an. »Warum tust du das eigentlich? Du strengst dich regelrecht an, deine Abstammung an den Tag zu legen. Ich weiß, daß dir das nur Probleme macht. Genau das hat doch in Silver City zu dem Duell geführt, oder nicht? «
»Na und? «
»Wenn du dir die Haare schneiden und dich ein wenig anders kleiden würdest, sähest du absolut normal aus, oder etwa nicht - vielleicht abgesehen davon, daß du besser aussiehst als die meisten anderen. Deine Schönheit ist wirklich nicht normal. «
Er grinste sie an und stellte erstaunt fest, daß ihre Frage ihn nicht ärgerte. Vielleicht lag es daran, wie bewundernd sie ihn musterte. Es war ein verdammt gutes Gefühl, so von ihr angesehen zu werden.
»Du tust, was du meinst, und ich tue, was ich meine, Herzogin. Wenn sich die Leute in dir täuschen, kann Schlimmeres passieren. «
»Schlimmeres als Duelle? « schnaubte sie, wartete aber keine Antwort ab. »Und wenn ich tue, was ich meine, dann wirst du mir meine Haarnadeln zurückgeben müssen. «
Sie streckte die Hand danach aus, aber jetzt war er an der Reihe, den Kopf zu schütteln. »Es ist früh genug, wieder >Euer Gnaden < zu spielen, wenn wir in Cheyenne anankommen. << Sie fing an die Stirn in Falten zu legen, bis ihr aufging, daß das eine einzigartige Gelegenheit war, die Dinge zu tun, die sie beim besten Willen nicht tun konnte, wenn die Gräfin oder ihre Wache dabei waren. »Wenn das so ist, möchte ich, während wir auf den Zug warten müssen, ein Bordell aufsuchen, um zu... «
»Das kommt nicht in Frage! «
»Ich will doch nur einen Blick hineinwerfen, Colt, mir einmal ansehen, wie so etwas von innen aussieht. Ich habe mich schon immer gefragt... «
»Vergiß es! Das ist mein Ernst! «
Jetzt sah sie ihn doch finster an, denn sein Ausdruck war unnachgiebig. »Dann eben einen Saloon«, schlug sie als Kompromiß vor. »Dagegen hast du doch sicher nichts einzuwenden. «
»Ach, nein? «
Ehe er ihr auch diesen Wunsch schlichtweg ausschlug, sagte sie:
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