Wyoming 2 - Wildes Herz
reichte ihm eine. Ihr wurde sofort klar, daß sie etwas falsch gemacht hatte, als seine Augen hervortraten und er ihr beinahe die Finger brach, um ihr die Zwanzig Dollar Goldmünze aus der Hand zu reißen, ehe sie es sich anders überlegte.
»Du mußt ganz frisch aus den Goldminen gekommen sein, mein Junge. Komm, ich gebe dir einen Drink aus. Herrgott noch mal, bin ich jetzt reich. «
Er machte sich auf den Weg zum Tresen und lachte dabei wieder prustend. Jocelyn hatte nicht vor, ihm zu folgen. Sie war sogar schon wieder auf dem Weg zum Ausgang, als sie gewaltsam herumgerissen wurde und einem äußerst unwilligen Colt ins Gesicht sah, der die ganze Zeitlang hinter ihr gestanden hatte.
»Habe ich dir nicht gesagt, daß du den Mund halten sollst? «
»Er hat mich für einen Jungen gehalten«, erklärte sie eilig. »Darauf sind wir gar nicht gekommen. Wenn ich als ein Junge durchgehen kann, könnten wir dann nicht etwas länger bleiben und hier zu Mittag essen? «
»Nein, ganz bestimmt nicht«, fauchte er gereizt. »Hast du genug gesehen? «
»Ich habe eigentlich noch gar nichts gesehen, aber... «
Ihre Stimme brach ab, und ihre Augen wurden kugelrund, als ihr Blick auf ein längliches Bild fiel, das in einem vergoldeten Rahmen hinter der Bar über dem Spiegel hing: Darauf war eine Frau abgebildet, die sich auf einem Sofa rekelte und gänzlich unbekleidet war. Als Colt fröhlich in sich hineinlachte, wurde ihr klar, daß sie errötete - und gaffte.
»Komm, da drüben hast du eine bessere Aussicht. Fünf Minuten, und dann hauen wir ab. «
Sie nickte und folgte ihm an die Bar. Der lange Tresen war aus Walnußholz geschnitzt, und in einem Abstand von etwa zweieinhalb Metern hingen Handtücher darauf, damit sich die Gäste, die hier aßen, die Hände abwischen konnten, vermutete sie. Eine Messingstange, die unten am Tresen verlief, war dazu da, die Stiefel draufzustellen und den Absätzen halt zu geben. Daneben standen Spucknäpfe auf dem Fußboden, wobei etwa einer auf vier Kunden kam. Um die Spucknäpfe herum war Sägemehl auf dem Fußboden verstreut, und es war ihr Pech, daß sie sogleich den Grund erkannte, als ein Kerl einen Klumpen Kautabak ausspuckte und den Napf verfehlte. Als sie an den Tresen trat, kam der Mann, der dahinterstand, auf sie zu und wischte vor ihr eine Stelle ab, auf der noch Reste des kostenlosen Mittagessens geklebt hatten, ehe er fragte:
»Was nimmst du, mein Junge? « »Einen Cognac, wenn Sie so freundlich wären. «
»Bringen Sie zwei Whiskey«, knurrte Colt neben ihr und warf ein Zehncentstück auf den Tresen.
Sein finsteres Gesicht machte tausend Worte wett und ließ sie erkennen, daß sie schon wieder etwas falsch gemacht hatte. Es war gut möglich, daß man in dieser Gegend noch nie etwas von Cognac gehört hatte und ihn schon gar nicht ausschenkte.
»Tut mir leid«, sagte sie kleinlaut.
Alles, was er darauf zu sagen hatte, war: »Nicht runterschlucken«, als das Whiskeyglas vor ihr abgestellt wurde. Sie nahm das kleine Glas in die Hand, drehte sich um und stützte sich mit einem Arm auf den Tresen, wie sie es bei einem anderen Kerl gesehen hatte. Colt blieb mit dem Gesicht zum Tresen stehen, doch dahinter hing der Spiegel, und darin konnte er den gesamten Raum überblicken. Jocelyn zog es vor, sich alles direkt anzusehen.
Es war kein allzu großer Saloon, etwa so geräumig wie der kleinere Salon in Fleming Hall. Außer dem unschicklichen Bild, das sie kein zweites Mal ansehen wollte, hingen noch andere interessante Dinge an den Wänden: ein Hirschkopf, der ausgebleichte Schädel eines großen Tieres, alte Waffen, das Hinterteil eines Büffels - sie blinzelte zweimal, als sie das sah.
Ein paar Spieltische standen herum, ein Pharaospiel, ein Roulette, ein Kümmelblättchen, aber nichts lenkte von dem eigentlichen Zweck des Ortes ab, nämlich dem Trinken. Innerhalb von wenigen Minuten hörte sie die Ausdrücke >Schlangengift<, >Sargpolitur<, »Rotes Dynamit«, Tarantelsaft< und >Pantherpisse<, denn all das wurde an der Bar bestellt; sie vermutete, daß es sich um verschiedene Ausdrücke für Whiskey handelte. Sie war fast in Versuchung ein wenig aus ihrem Glas zu nippen, weil sie wissen wollte, warum dieses Getränk mit so deftigen Begriffen bedacht wurde. Ein Blick auf Colt, der sich das Geschehen lmmer noch im Spiegel ansah, brachte sie dazu, es bleiben zu lassen.
Die verschiedensten Sorten von Männern hielten sich hier auf, und sie waren ganz unterschiedlich gekleidet:
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