Wyoming 2 - Wildes Herz
Jocelyn jetzt, da eine Ehe ihr in Zukunft denkbar war, ihre Jungfräulichkeit los werden mußte. Das war die einzige Möglichkeit, Edwards Namen davor zu bewahren, durch häßliches Gerede in den Schmutz gezogen zu werden. Und schließlich ging es nicht an, daß eine Witwe Jungfrau war. Daß sie es mit zweiundzwanzig Jahren noch war, war nichts, worauf sie stolz sein konnte, denn es war das Allerletzte, was irgend jemand von ihr erwartet hätte.
Ihre Jungfräulichkeit stand ihr inzwischen im Weg, und, wie Vanessa gesagt hatte, war das etwas, wogegen sie längst hätte Abhilfe schaffen sollen. Jetzt waren ihre Möglichkeiten recht begrenzt. Eine bestand darin, sich durch einen ärztlichen Eingriff die Unschuld nehmen zu lassen. Aber bei dem Gedanken, Instrumente würden in sie eingeführt, um das Jungfernhäutchen zu durch trennen, schauerte sie vor Ekel zusammen. Die einzige andere Möglichkeit bestand darin, sich einen Liebhaber zu nehmen, jemanden, der nicht ihren gesellschaftlichen Kreisen angehörte, jemanden, der nie etwas von Edward gehört hatte, und vor allem jemanden, bei dem es unwahrscheinlich war, daß sie ihn hinterher je Wiedersehen würde. Ob sie dann nach New York und zu Charles Abington III. zurückkehrte oder ob sie einen anderen Mann kennenlernte, der standesgemäß war und über die entsprechenden Mittel verfügte - sie konnte dann unbesorgt heiraten. Edwards Leiden würde nie ans Licht der Öffentlichkeit kommen.
Jocelyn war bereit, schon seit dem Zeitpunkt, als sie in Mexiko an Land gegangen waren. Und Vanessa irrte sich. Sie hatte einige Mexikaner recht anziehend gefunden. Leider wurde ihr Interesse nicht erwidert, oder falls doch, dann war sie zu unerfahren, um die subtilen Zeichen deuten zu können. Sie war so ganz und gar nicht geübt im Flirten.
Es würde nicht einfach werden, einen Liebhaber zu finden. Abgesehen von ihrer Unerfahrenheit mußte sie auch an Mr. Longnose denken und konnte daher an keinem Ort lange genug bleiben, um eine Beziehung bis an den Punkt zu verfolgen, an dem sie einen Mann in ihr Bett hätte locken können. So hoffte sie darauf, daß ihr wieder nachgestellt werden würde wie im Mittleren Osten und an der Ostküste Amerikas. Manche Länder brachten eben Männer hervor, die draufgängerischer als andere oder zumindest verwegener in ihren Gelüsten waren. Jetzt hätte sie etwas von dieser Verwegenheit gebrauchen können, einer Verwegenheit, die sie bislang als reine Arroganz und Unverfrorenheit angesehen hatte.
Als ihr der Spürhund wieder einfiel, der ihnen immer noch auf den Fersen war, sagte Jocelyn: »Ich habe mir keine Gedanken über Charles gemacht, verstehst du. Es ist sogar eine ganze Weile her, seit ich das letzte mal auch nur an ihn gedacht habe. Glaubst du, daß ich ihn vielleicht gar nicht so gern hatte, wie ich dachte? «
»Meine Liebe, du kanntest ihn wirklich noch nicht lange genug. Es heißt, daß Liebe manchmal ganz plötzlich erwacht, aber so etwas habe ich selbst noch nie erlebt. Meistens braucht die Liebe einige Zeit, um zu wachsen. Wir mögen zwar ein paar Monate in New York verbracht haben, aber du hast diesen Mann erst drei Wochen, ehe wir abreisen mußten, kennengelernt. Ich finde, es ist schon ein gutes Zeichen, daß du überhaupt Interesse an ihm gehabt hast, da du die Männer in diesen letzten Jahren doch weitgehend ignoriert hast. Und jetzt sag mir, warum unser beharrlicher Freund Longnose dir Sorgen macht. Du kannst doch nicht im Ernst glauben, daß er unsere Fährte so schnell wiedergefunden hat, nicht nach alldem Zickzack durch ganz Mexiko? «
Jocelyn mußte lächeln, als sie feststellte, wie sicher Vanessa war, daß sie nur zwei Gründe zum Grübeln hatte. »Nein, ich wüßte nicht, wie er hätte erfahren können, daß wir mit dem Schiff nach Süden gereist sind, wenn wir doch ebensogut nach Europa hätten zurückkehren können. «
»Wir wissen auch nicht, wie er uns in New York gefunden hat, aber es ist ihm gelungen. Ich fange an, mich zu fragen, ob er nicht einen von unseren Leuten für sich arbeiten läßt. «
Grüne Augen flackerten vor Entsetzen auf, denn wenn Jocelyn den Leuten nicht mehr trauen konnte, auf die sie sich einließ, dann hatte sie wahrhaft Sorgen. »Nein! Das kann ich nicht glauben! «
»Ich meine niemanden aus deinem Gefolge, meine Liebe. Aber du weißt, daß die Mannschaft der Jocel ständig wechselt. In so gut wie jedem Hafen verliert der Kapitän eine Reihe von Männern, die er jedesmal durch neue ersetzen
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