Wyoming 2 - Wildes Herz
sie ihm beinah gestanden hätte, wie sehr er sie reizte. So ging es doch wirklich nicht, und schon gar nicht, wenn die Gefühle des Gegenübers absolut unklar waren. Gütiger Himmel, wie demütigend wäre es gewesen, wenn sie ihm das gesagt hätte und er nicht darauf eingegangen wäre, oder noch schlimmer, wenn er darauf erwidert hätte, daß das ihr Problem und nicht seines sei. Es war ihr Problem, aber dieses eine Mal konnte sie sich nicht zielstrebig darauf stürzen, es zu lösen.
»Gut, daß du so schnell zurückgekommen bist, Vana, denn ich wollte Colt gerade eben fragen, warum er gestern wollte, daß wir einen Bogen um die Stadt machen. Das hat dich doch ganz besonders interessiert, oder nicht? «
»Ja, wirklich«, erwiderte Vanessa zögernd.
Es war alles schön und gut, wenn sie sich bei Jocelyn über die anscheinende Gehässigkeit ihres Reiseführers beklagte, fand Vanessa, aber es war ganz etwas anderes, ihn persönlich auf dieses Thema anzusprechen, und erst recht, wenn er so gar keinen freundlich gestimmten Eindruck machte. Wie er Jocelyn ansah, wenn sie ihn gerade nicht beachtete... Gütiger Himmel, was war bloß geschehen, solange sie fort gewesen war? Seine Augen schwelten vor Glut, aber was mochte das für eine Glut sein?
Er schien dem Gespräch nicht gefolgt zu sein, da seine gesamte Konzentration sich gebannt auf Jocelyn richtete, und daher hakte Vanessa nach: »Hat es einen Grund dafür gegeben, äh... Colt? «
Der Blick, der auf sie fiel, drückte etwas aus, was man nur als Ungeduld bezeichnen konnte, doch die Glut war jetzt erstickt, und dann sah er die Herzogin wieder an, fast so, als bliebe ihm nichts anderes übrig. »Ich habe Sie einen Bogen um Benson machen lassen, weil Sie hier, unter freiem Himmel, besser geschützt sind. Hier sieht man seinen Feind nahen. In einer Stadt weiß man nicht, vor wem zum Teufel man auf der Hut sein soll, da Sie noch nicht einmal wissen, wie dieser Engländer und seine Männer aussehen. Hier draußen ist jeder, der einem nahe kommt, verdächtig. Es ist die grundlegendste aller Sicherheitsvorkehrungen, Herzogin, für sich zu bleiben. «
Der letzte Satz war doppeldeutig. Selbst Vanessa entging das nicht, Jocelyn entschloß sich, diese Doppeldeutigkeit vollkommen zu überhören.
»Siehst du, Vana, ein ausgezeichneter Grund. Und dazu kommt noch, daß Longnose vorübergehend in die Irre geführt worden ist, und das haben wir dem Umweg zu verdanken, den Colt an diesem Morgen beharrlich durchgesetzt hat. Wir könnten einfach nicht in besseren Händen sein, bist du nicht auch der Meinung? «
Vanessa nickte, aber ihre Aufmerksamkeit richtete sich immer noch auf Colt, denn sie wollte seine Reaktion sehen. An Jocelyns uralten Taktiken war nichts auszusetzen. Sie hatte dem Mann zu verstehen gegeben, daß seine Gesellschaft erwünscht war, hatte scheu seinen Blick gemieden, als wagte sie es nicht, ihn anzusehen, weil sie fürchten mußte, ihre Gefühle seien ihr zu offenkundig anzusehen, und jetzt schmeichelte sie ihm. Aber nichts von alledem schien bei diesem Mann zu wirken, oder zumindest nicht so, wie man es hätte erwarten können. Wenn überhaupt, dann hatte man den Eindruck, je freundlicher Jocelyn war, desto mehr schien es ihn zu bestürzen.
Hatte er die Lage erfaßt und wollte nichts damit zu tun haben? Oder war es das Vorgehen eines Mannes, der beschlossen hatte, er könne nicht haben, was er wollte? Dieser Überlegung konnte Vanessa schlecht auf den Grund gehen. Sie fragte sich, ob sie Jocelyn darauf ansprechen sollte. Nein, es war besser, wenn das Mädchen es auf seine Art machte. Und außerdem konnten nur direkte Fragen zu einer Antwort führen, und wenn Jocelyn auch in den meisten Dingen äußerst direkt war, hoffte Vanessa doch, daß sie so vernünftig wäre, dieses Thema nicht anzuschneiden. Man durfte sich gar nicht vorstellen, welche Peinlichkeit daraus erwachsen könnte.
Keine von beiden Frauen konnte wissen, daß Colt in dem Moment ein wenig Direktheit äußerst willkommen gewesen wäre, denn er durchschaute die Beweggründe der Herzogin nicht im geringsten. Das letzte, worauf er je gekommen wäre, war, sie könnte ihn begehren, obwohl sie seine Abstammung kannte.
Aber sein Verlangen nach ihr verselbständigte sich, und es wurde alles noch schlimmer, weil er ihr schon wieder so nah war. Es war ein großer Fehler gewesen, ins Zelt zu kommen, selbst dann, wenn seine Wut ihm Halt gegeben hatte. Da sie jetzt verflogen war, mußte er verschwinden, und
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