Wyrm. Secret Evolution
altes Leben â¦
»Was ist mit Maya?«, hörte sie wie aus weiter Ferne die Stimme der Polizeidirektorin.
*
Maya hastete die StraÃe entlang. Es war eine ganz schlechte Idee gewesen, ihre Krankenhauslatschen auf der Flucht vor dem Bullen wegzuschleudern und auf nackten FüÃen weiterzulaufen. Ihre FuÃsohlen waren zwar abgehärtet, aber es war bitterkalt. AuÃerdem war sie insgesamt bei Weitem nicht so gut in Form, wie sie gehofft hatte. Die Ãrzte hatten sie davor gewarnt. Die aggressiven Ausdünstungen in dem zusammengestürzten U-Bahn-Bereich und der Rauch, der die Flammensäule begleitet hatte â all das hatte ihre Lungen geschwächt. »Wenn du willst, dass das wieder in Ordnung kommt, musst du dich noch ein paar Wochen schonen«, hatte der kantige Oberarzt gesagt.
Immerhin hatten sich ihre Eltern aus dem fernen Kanada bislang nicht gemeldet, sodass an der Front Ruhe herrschte. Soweit sie wusste, waren sie gerade mal wieder auf einer Expedition mit anderen Wissenschaftsidioten der McMaster-Universität unterwegs, um die Spuren irgendwelcher angeblich vom Aussterben bedrohter Nagetiere zu untersuchen. Wirklich niedlich.
Was hatten sie noch gesagt, bevor sie sie alleine gelassen hatten? »Wenn irgendetwas ist: Ruf an. Mit dem Flugzeug sind wir ja in null Komma Nichts wieder hier«, »Bleib an deinen Schularbeiten dran. Vor allem Mathe â¦Â«, »Wenn du nicht mit dem Geld auskommst, dann schick uns einfach eine SMS .«
Klar. Ihre Eltern turnten irgendwo fernab jedes Handymastes herum, und sie sollte anrufen oder eine SMS schicken â¦
Alles superkluge Sprüche. Aber sich schonen, während David immer noch unter der Erde gefangen war? Das kam überhaupt nicht infrage.
Die Scheinwerfer der vorbeifahrenden Wagen, die Lichtreflexe auf dem feuchten Boden, das trübe Licht der StraÃenlaternen, die mit gelblichen Energiesparlampen ausgerüstet waren, diese Gemengelage verstärkte noch ihre Kopfschmerzen, die sie mit einem Mal überfallen hatten. AuÃerdem brauchte sie dringend winterfeste Kleidung, vernünftige Schuhe, eine warme Mahlzeit. Aber sie konnte auf keinen Fall nach Hause. Ebenso gut hätte sie gleich in die nächste Polizeistation marschieren können.
Wenn ihr jemand weiterhelfen konnte, dann ihre Freunde. Sie hatte Nico zwar nicht mehr per Handy erreicht, aber sie war sicher, dass sie ihn und Jana am »Schattenbräu« treffen würde.
»Alte Eiche, ich komme«, murmelte sie und beschleunigte abermals ihre Schritte.
*
Alina hatte das Gefühl, als dränge Juretzkos Stimme aus weiter Fern zu ihr durch. »Mir ist nicht gut«, brachte sie schwächlich hervor. Sie versuchte durchzuatmen, die Schatten zu vertreiben, die nach ihr so beharrlich griffen, als wären sie sich sicher, dass ihr Widerstand über kurz oder lang zusammenbrechen würde. Das durfte sie nicht zulassen! »Ich will nach Hause.«
Die ältere Frau nickte. »Natürlich. Aber zuerst muss ich wissen, warum du Maya zur Flucht verholfen hast. Das musst du mir schon erklären!«
Alles um Alina herum war ⦠befremdlich. Anders konnte sie es nicht ausdrücken. Ein Gefühl erstickender Fremdheit. Und mehr noch. Das Fremde, Unbeschreibliche zerrte immer stärker an ihr, und das nun fast schon auf eine körperliche Art, als versuche es sie auf eine vollkommen unbegreifliche Art zu erfassen und mit sich zu ziehen.
»Ich warte«, drang die Stimme der Polizeidirektorin noch immer wie aus weiter Ferne in ihr Bewusstsein, »aber nicht mehr allzu lange.«
»Ja.« Alina versuchte sich auf die gegenüberliegende Wand zu konzentrieren. Auch sie war dunkel. Aber auf ganz andere Weise als das, was dort ⦠unten lauerte. Dort, wo sie tief in sich einen Teil von sich spürte, als hätte man ihn vor unendlichen Zeiten auf dem Grund ihrer Ãngste und Sehnsüchte begraben. Und als begehre dieser Teil nun nicht mehr nur Einlass in ihr alltägliches Leben, sondern als wolle er die Kontrolle über sie gewinnen.
»Was ist jetzt?«, schnappte die Juretzko.
»Ja«, wiederholte Alina mit schwerer Zunge. »Ich sage Ihnen alles, was ich weiÃ. Aber mir ist ⦠wirklich nicht gut.«
»Was. Ist. Mit. Dieser. Maya?«
Die Worte hämmerten wie Faustschläge auf Alina ein. Es war nicht das erste Mal, dass sie so etwas erlebte. Faustschläge. Worte, die
Weitere Kostenlose Bücher